Die Prophetin
bereits ausgerottet worden waren.
Miles war ein Held seiner Zeit, und so liebte Erika ihren Mann. Ganz Amerika liebte ihn, diesen superrei-chen Computer-König. Die Zeitschrift Forbes hatte den Nettowert seines Konzerns mit zehneinhalb Milli-arden Dollar veranschlagt. Er nutzte seinen Reichtum für die Lösung gesellschaftlicher Aufgaben. Niemand wußte genau, was alles zu Havers’ Elektronik-Imperium gehörte, und Time Magazine hatte ihn kürzlich als Erfinder von Internet bezeichnet. Wie auch immer, sein Einfluß reichte inzwischen um die ganze Welt.
Da sein kometenhafter Erfolg und sein Reichtum auf seiner Zeit als Hacker beruhte, karikierte man Miles oft als die ›Wühl-Maus‹. Aber natürlich mußte niemand darüber aufgeklärt werden, daß Miles Havers –
Golfspieler, Jogger und Drachenflieger – kaum in das Klischee eines Computer-Freaks paßte. Erika fand immer, daß er wie ein Filmstar aussah. Gewiß, auch das war ein Klischee, aber es entsprach trotzdem der Wahrheit. Seine blondbraunen Haare waren immer jungenhaft zerzaust. Er war schlank und muskulös, und man sah ihm nicht an, daß er dem Alter nach bereits den Höhepunkt seines Lebens überschritten hatte.
Dazu kamen die faszinierenden grauen Augen und sein unvergleichliches ansteckendes Lächeln. Miles Havers war in den Augen seiner Frau der Inbegriff von Klugheit und salopper männlicher Eleganz.
Manchmal konnte sie es noch immer nicht glauben, daß sie und Miles es soweit gebracht hatten, wenn sie an die Zeit zurückdachte, in der sie als Hippies in einem VW-Bus durch die Vereinigten Staaten gefahren waren und in Woodstock nackt im Regen getanzt hatten.
Der Piepser an seinem Gürtel meldete sich plötzlich. Havers trat zu einem Sprechgerät an der Wand. »Ja?«
»Sie haben ein Telefongespräch, Sir. Es ist dringend.«
»Wer ist es?«
»Der Anrufer wollte keinen Namen nennen. Das Gespräch kommt aus Kairo.«
Miles kniff die Augen zusammen. »Also gut, verbinden Sie, wenn ich zurückrufe.« Mit einem Blick auf Erika sagte er: »Entschuldige, Liebling, aber ich muß das Gespräch annehmen. Hast du etwas dagegen?«
»Aber nein. Ich muß ohnehin noch einmal die Gästeliste für das Konzert durchgehen und den Maestro anrufen.« Sie gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Eine wundervolle Orchidee.« Miles begleitete sie zur Tür, die sich automatisch hinter Erika schloß. Dann nahm er den Hörer des Wandapparats neben dem Eingang ab, gab eine Geheimnummer ein, und als sich der Teilnehmer am anderen Ende meldete, sagte er: »Sprechen Sie.« Miles hörte einen Augenblick lang zu.
»Ein Fragment?« fragte er. »Und Sie sind sicher, daß in dem Schriftstück das Wort ›Jesus‹ vorkommt? Sind noch andere Fragmente oder Schriftrollen gefunden worden?« Als er die Antwort hörte, ballte Miles unbewußt die freie Hand zur Faust. Eine vertraute, prickelnde Erregung erfaßte ihn. Er hatte dieses besondere Gefühl längere Zeit nicht mehr erlebt, aber jedesmal, wenn es geschah, gehörte das zu den unvergeßlichsten Augenblicken seines Lebens…
Vor sechs Monaten hatte er einen Anruf aus Taiwan erhalten. ›Ich habe eine Orchidee für Sie, Mr. Havers… Zygopetalum Blauer See… eine sehr seltene Art, die man so gut wie nicht findet. Die Ausfuhr ist illegal, und das Entfernen der Knolle riskant. Die Transaktion wird sehr teuer werden.‹
Miles hatte nach dem Telefonat tagelang nicht geschlafen. Dann endlich traf die kostbare Knolle von ›einem Züchter aus Santa Barbara‹ ein. Jetzt wurde er belohnt. In seiner privaten tropischen Welt blühte schimmernd eine atemberaubend schöne und seltene Orchidee. Das Wichtigste dabei war: Sie blühte nur zu seinem persönlichen Vergnügen.
»Ein Korb?« fragte er und sprach unwillkürlich leise, obwohl die mehrfach isolierten Scheiben des Tropenhauses keinen Laut nach außen dringen ließen. Wie vor sechs Monaten war seine Beutegier erwacht.
Nicht der Erwerb, sondern die Erwartung ist die Droge des Sammlers, dachte er, und seine Lippen wurden schmal. Gefahren gehören zu meinem tollkühnen Spiel
»Sind die Behörden bereits informiert? Ich verstehe… Was ist in dem Korb? Stellen Sie es fest, und halten Sie mich auf dem laufenden.«
Er beendete das Gespräch und wählte eine andere Nummer. »Rufen Sie in Athen an. Sagen Sie Zeke, daß ich ihn auf der Stelle sprechen muß.«
Es dauerte keine fünf Minuten, bis das Telefon summte. »Zeke ist in der Leitung, Sir.«
Miles gab ihm kurz die notwendigen
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