Die Prophetin
Rechtfertigung, aber meine Mutter ist tot. Sie kann sich nicht mehr verteidigen.«
»Ist das nicht eine Art persönlicher Rachefeldzug? Willst du die Kirche angreifen wegen Dingen, die weit in der Vergangenheit liegen? Catherine, die Sache mit deiner Mutter geht nicht auf das Konto der Kirche.
Dafür war nur ein einziger Mann verantwortlich.«
Sie zog ihre Hände zurück. »Vielleicht ist das deine Meinung. Ich sehe es anders. Vater McKinney war katholischer Priester. Jeder Priester ist ein Instrument der Kirche.«
»Priester sind auch nur Menschen.«
»Deren Loyalität in erster Linie der Kirche gehört.«
»Du willst also sagen, daß alle Priester gleich sind?« Unwillkürlich mußte Catherine an Garibaldi denken, der sich durch die Menge gekämpft hatte, um einer Beduinenfrau zu helfen. Wäre Vater McKinney ebenso mutig gewesen? »Catherine«, sagte Julius eindringlich, »du läßt dein Leben von der Vergangenheit bestimmen. In dir ist eine Bitterkeit, die dich zerstört. Wenn du sie nicht überwindest«, sagte er leise, »kann sie uns beide vernichten.«
Er stand auf und trat an die Glastür. Dort blieb er eine Weile schweigend mit dem Rücken zu ihr stehen, bevor er sich umdrehte. Obwohl er äußerlich so ruhig wie immer wirkte, lag in seiner Stimme eine gewisse Schärfe, die Catherine an ihm nicht kannte. »Catherine, ich bitte dich, an die Folgen deines Vorhabens zu denken.«
»Ich suche nur nach Antworten…«
»Wirklich? Willst du etwas finden oder willst du etwas zerstören?«
»Julius, ich dachte, du würdest mich unterstützen. Du behauptest, mich zu lieben.«
»Natürlich liebe ich dich!« Es klang wie ein Aufschrei. »Gerade weil ich dich liebe, muß ich dir sagen, daß du im Begriff bist, etwas Falsches zu tun. Wenn ich deinem wahnwitzigen Plan zustimme, dann unterstütze ich dich nicht, Catherine. Ich würde nur dazu beitragen, dich zu ruinieren. Glaub mir, ich verstehe sehr gut, weshalb du es tun willst. Aber wenn du deine Mutter rechtfertigen möchtest, dann mußt du das im Rahmen einer wissenschaftlich anerkannten Vorgehensweise tun, sonst wird man dich mundtot machen.«
»Dieses Risiko muß ich eingehen.«
Er sah sie kopfschüttelnd an und warf dann einen Blick auf die Uhr. »Ich muß noch einmal ins Institut. In der Gegend hinter Bel Air hat man Reste eines Skeletts gefunden. Wir vermuten, es stammt von einer alten indianischen Begräbnisstätte. Die Kommune hat uns gebeten, eine Altersbestimmung vorzunehmen.«
»Julius…«
Er suchte nach seinen Wagenschlüsseln. »Wenn die Knochen älter als hundert Jahre sind, dann fallen sie in den Bereich der Archäologie, und die Polizei muß sich nicht darum kümmern. Aber wenn sie jüngeren Datums sind, müssen polizeiliche Nachforschungen angestellt werden.«
»Julius, wir müssen miteinander reden.«
Er ging zur Tür, drehte sich dann aber langsam um und sagte seufzend: »Catherine, was erwartest du von mir?« Sie stand auf und ging zu ihm. »Gibt es für dich immer nur Regeln und Vorschriften? Hast du nie etwas getan, nur weil es dein Herz wollte?«
»Natürlich. Nichts anders tue ich jetzt. Wer sonst würde versuchen, dir diese Dummheit auszureden?«
»Davon spreche ich nicht. Du hörst mir nicht zu. Ich weiß, daß mein Vorgehen falsch ist. Es ist illegal und unmoralisch. Mein Verstand sagt mir, daß du recht hast, aber mein Herz befiehlt mir, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.«
Er schüttelte den Kopf. »Catherine, ich habe kein gutes Gefühl dabei. Ich glaube, du bringst dich und uns in eine sehr gefährliche Lage.«
»Niemand weiß etwas von dem Fund, Julius. Ich war wirklich sehr vorsichtig.«
Er wich ihrem Blick aus und öffnete die Tür. Er konnte ihr nicht zustimmen. Die Konfrontation schmerzte.
Alle seine Hoffnungen hatten sich zerschlagen. Anstatt ihr Wiedersehen zu feiern, stritten sie miteinander.
In seiner Ernüchterung wollte er nur so schnell wie möglich weg.
»Ich hätte die Tests schon heute morgen durchführen sollen, aber ich wollte hier sein, um dich zu begrüßen.
Ich werde im Moonshadow einen Tisch für uns reservieren. Bestimmt bin ich noch vor acht zurück.«
Sie sah ihm nach. Als er aus der Garage in den strömenden Regen fuhr, nahm er alle Wärme und Gebor-genheit mit sich. Catherine stand wie gelähmt im Zimmer und glaubte, das Haus, die Welt, das Universum gerate plötzlich aus dem Gleichgewicht. Alles schien auf den Kopf gestellt, nichts war mehr wie zuvor. Das Wiedersehen mit Julius hätte
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