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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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hatten. Dann wollte Catherine nach einem heißen Bad und einer vernünftigen Mahlzeit mit der Ü-
    bersetzung der Schriftrollen fortfahren. Würde sie im Text einen Hinweis finden, der eine Datierung der Bücher ermöglichte? Würde es wirklich so einfach sein? ›Der heilige Paulus war 40 n. Chr. in Antiochia‹, sagte Garibaldi, als Catherine ihm berichtete, was sie bisher gelesen hatte. Vielleicht ist er der Mann, den Sabina mit ihrer Mutter auf dem Vieh- und Sklavenmarkt zu den Menschen reden hört und den sie später einladen, die Versammlungen im Haus von Sabinas Familie abzuhalten. Bei den wöchentlichen Lesungen der Botschaft und dem Liebesmahl handelt es sich vielleicht um das Evangelium und die Kommunion.
    Trotzdem verstehe ich nicht alles…< Damit wollte Garibaldi sagen, daß einiges an die Worte von Jesus erinnerte, anderes jedoch nicht.
    Vielleicht wird es nicht so einfach sein, das Rätsel der Schriftrollen zu lösen, dachte Catherine und stöhnte leise, weil ihr Nacken und die Schultern immer noch schmerzten. Während sie in der einsetzenden Dämme-rung nach einem Motel Ausschau hielt, hoffte sie, auch ein Einkaufszentrum zu finden. Sie brauchte etwas zum Anziehen. Nach dem Telefonat mit Danno hatte sie sich nicht die Zeit genommen, Kleider zum Wechseln mitzunehmen. Wie hätte sie eine so dramatische Flucht voraussehen können? Die Bluse konnte sie im Waschbecken waschen, aber die Wollhose mußte in die Reinigung. Sie hatte nur einen Bademantel, zwei T-Shirts und Khaki-Shorts, die bei diesem Wetter nicht warm genug waren. Aber Catherine beschäftigten nicht nur das Kleiderproblem und die Schriftrollen. Sie hatte während der langen Fahrt immer wieder dar-
    über nachgedacht, wie sie Garibaldi dazu bringen könnte, sie allein zu lassen und nach Chicago zurückzukehren. Seine Anwesenheit machte ihr zu schaffen, und ihr Unbehagen wuchs von Stunde zu Stunde.
    Es liegt an der Soutane, dachte Catherine, sie erinnert mich ständig an Vater McKinney und an Mutters Tod. Wenn sie am Steuer saß, hatte Garibaldi einige Male sein Brevier, das Buch mit den Stundengebeten, aufgeschlagen und darin gelesen. Während sie an Artischockenfeldern und Kleewiesen vorüberfuhren, flüsterte er lautlos seine Gebete. Catherine wußte, daß sie ihm deshalb keinen Vorwurf machen durfte, schließlich war er Priester, und zu seinen Pflichten gehörte das ›ständige Gebet‹. Trotzdem fühlte sie sich jedesmal erleichtert, wenn er das Brevier schließlich zuklappte und in die Reisetasche legte. »Schon wieder ein geschlossenes Motel!« sagte Garibaldi plötzlich.

    Im Autoradio hatten sie gehört, daß zu gewissen Orten der Welt ganze Völkerwanderungen unterwegs waren. Deshalb hatten sie die Küste verlassen und fuhren ins Landesinnere von Kalifornien, um den endlosen Wagenkolonnen zu entgehen, die in Richtung Big Sur unterwegs waren. Die Menschen verließen ihre Häuser und Wohnungen und fuhren zu den Stellen, wo sie glaubten, in Sicherheit zu sein, wenn die sündigen Städte wie Sodom und Gomorrha in Flammen aufgehen, von Erdbeben oder Naturkatstrophen vernichtet werden würden. Andere, die nicht an die Apokalypse und die düsteren Prophezeiungen glaubten, waren jedoch ebenfalls unterwegs. Sie wollten mit Ritualen oder aufwendigen Festen das neue Jahrtausend beginnen. Offenbar hatten die kleinen Motels entlang des Highway geschlossen, weil ihre Besitzer wußten, daß die 99 nicht zu den Routen gehörte, auf denen sich die Menschen zur Jahrtausendwende drängten.
    Was erwartet Garibaldi von der Jahrtausendwende? dachte Catherine plötzlich. Glaubt auch er, daß Jesus inmitten der himmlischen Heerscharen wieder auf die Erde kommen wird? Glaubt er an das Jüngste Gericht und daran, daß der Weltuntergang nahe ist?
    Die Wiederkehr Jesu…
    War Sabina wirklich dieses Wissen offenbart worden? Wußte sie, was geschieht, wenn wir sterben?
    ›Und alle die Jahre und Wege… haben mich zu der Antwort geführt‹
    Catherine lief ein Schauer über den Rücken. Würden sie und Garibaldi das Mysterium aller Mysterien entdecken?
    »Zimmer frei!« rief er plötzlich und fuhr auf den Parkplatz eines größeren Motels. Catherine ging in das Büro, aber sie kam kurz darauf wieder zum Wagen zurück. Es war nur noch ein einziges Zimmer zu haben.
    Garibaldi fuhr seufzend auf den Highway zurück, und die Suche ging weiter. Sie ließen die Weinberge und die reizvolle Landschaft hinter sich und erreichten die dicht besiedelte Gegend um Stockton.

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