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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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hatte er schon einmal gesehen. Aber wo?
    Sein Gehirn begann, auf Hochtouren zu laufen. Frage: Warum dringen zwei Männer in die Wohnung eines unbedeutenden Archäologen ein, schneiden ihm die Kehle durch, jagen einer Frau hinterher und schießen sogar auf sie? Antwort: Das sind sehr schwere Geschütze für einen harmlosen Diebstahl.
    Maloney kniff die Augen zusammen und musterte aufmerksam das Photo. Es sah wie ein Papyrus mit alter-tümlichen Schriftzeichen aus.
    Papyrus-Schrif trollen?
    Noch einmal: Zwei Killer, ein ermordeter Archäologe, eine fliehende Frau, Schriftrollen.
    Der Inspektor kam erfreulicherweise noch immer nicht zurück. Maloney beugte sich über das Photo. Auf den ersten Blick schien es sich bei dem Papyrus um ein Einzelblatt zu handeln. In der unteren Hälfte entdeckte er eine weiße, gezackte Linie. Es sah aus, als habe man zwei Teile gefunden, zusammengefügt und dann photographiert. Was für ein Dokument ist das?
    Noch interessanter war die Frage: Wo befindet es sich? ›Wenn man wirklich etwas erfahren will‹, hatte ihm sein Chefredakteur einmal gesagt, ›dann sieht man sich in den Großstädten um, wo wirklich etwas passiert.
    Also, was willst du in Santa Barbara? Kannst du mir erklären, was du über dieses verschlafene Nest schreiben willst?‹
    Die aufregendste Geschichte, an die sich Maloney erinnern konnte, war, daß die Bewohner von Santa Barbara ihre Rasen während der großen Trockenheit 1993 grün gefärbt hatten. Maloney hatte etwas gegen Großstädte. Ihm gefiel Santa Barbara. Wenn die Wirklichkeit langweilig war, dann mußte man eben etwas daraus machen. Deshalb suchte er immer nach einem besonderen Aspekt. Man nehme eine ganz gewöhnliche Geschichte, stelle sie in einen neuen Zusammenhang, und plötzlich ist die Sache nicht länger langweilig.
    Das Porträt der geflohenen Frau zum Beispiel würde ungefähr eine Woche lang in den U-Bahnhöfen ausgehängt werden und dann verschwinden.
    Frage: Durch welchen Zusammenhang kann ich Interesse für das Photo wecken? Steckt hinter dem Mord vielleicht eine Affäre? Ein Verbrechen aus Leidenschaft? War die Mafia dabei im Spiel?
    Plötzlich tönte eine Stimme durch den Lärm: »Warum wollt ihr nicht auf mich hören? Ich bin der Erlöser!«
    Der Mann war hager und wirkte verwahrlost, hatte lange strähnige Haare und Augen wie Charles Manson.
    »Das Ende der Welt ist nahe!« rief er. »Nur durch mich werdet ihr gerettet werden. Wer nicht an mich glaubt, wird in der Hölle brennen!«
    Drei Polizisten stürzten sich auf ihn, und als er sich wehrte, warfen sie ihn zu Boden.
    Maloney blickte noch einmal auf das Photo. Schriftrollen…
    Hatte dieser Stevenson vielleicht einen sensationellen Fund gemacht?
    Schnell drehte er das Photo um und sah auf der Rückseite den Vermerk: ›Jesus-Fragment, gefunden am 14.
    12. 99, Scharm el Scheich, Golf von Akkaba‹.
    Maloney lief ein Schauer über den Rücken. Ein Jesus-Fragment!
    Seine Gedanken überschlugen sich. Blitzschnell rekapitulierte er: Ein ermordeter Archäologe, ein geheimnisvolles Jesus-Fragment und eine schöne Frau, die vom Schauplatz des Verbrechens flieht.
    Maloney hätte am liebsten laut gejubelt.
    Er mußte nicht lange darüber nachdenken, was er als nächstes zu tun hatte. Nach einem schnellen Blick durch die Wachstube verschwand das Photo in der Tasche seines Regenmantels. Kurz darauf verließ er lächelnd die Polizeiwache und wünschte jedem, der ihn ansah, fröhliche Weihnachten. Maloney hatte seine Geschichte!

    Albuquerque, New Mexico

    »Es gibt große Schwierigkeiten«, sagte Torrez. »Ich glaube, wir sollten einen Rückzieher machen.«
    Miles hatte die außerplanmäßige Konferenz in der Hauptverwaltung seines Konzerns angesetzt, um die Vorwürfe des Kartellamtes zu diskutieren. Die Behörde hatte an diesem Tag offiziell Einspruch dagegen erhoben, daß Dianuba einen weiteren großen Software-Hersteller übernahm. Dadurch, so erklärte man, würde Miles Havers den Markt beherrschen, den Wettbewerb verzerren und früher oder später von den Verbrauchern überhöhte Preise fordern.
    Mike Torrez, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns und Mitglied des aus drei Personen bestehenden Präsidiums von Dianuba, machte sich Sorgen. »Das kann einen Prozeß zur Folge haben«, erklärte er mit ernster Miene. Aber Miles lachte. »Was soll bei einer solchen Untersuchung herauskom-men? Warum die Leichenbittermiene? Wir sind nicht durch Ängstlichkeit das geworden, was wir

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