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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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weiter zum Lincoln’s Inn. Das eine ist nicht weit vom anderen.«
    Voll neuer Entschlossenheit reihten wir uns in die Schlange der Wartenden an der sechzig Fuß hohen London Bridge ein. Nachdem wir bezahlt hatten, schoben wir uns mit den anderen durch den Korridor, der so schmal war, dass die vorüberrumpelnden Fuhrwerke und Kutschen uns manchmal beinahe streiften.
    Als wir auf dem Nordufer ans Tageslicht traten, empfingen uns die Rufe eines Buckligen, der den Leuten seine Dienste anbot. »Wohin wollt Ihr? Braucht Ihr ein Pferd? Ein Boot? Für ein paar Münzen kann ich Euch alles beschaffen.«
    »Danke Euch, Sir, aber wir gehen zu Fuß. Wir wollen zum Kloster Blackfriars.«
    Der Bucklige lachte. »Niemand geht zu Fuß zum Kloster Blackfriars«, sagte er und diente sich schon den nächsten Vorüberkommenden an.
    »Was meint er damit?«, fragte ich.
    »Das werdet Ihr bald sehen.« Bruder Edmunds Gesicht hatte einen schmerzlichen Zug.
    Das Kloster Blackfriars ist das größte Dominikanerhaus in England, ein Wunder der Christenheit. Zwei Jahrhunderte lang erkannten seine Ordensbrüder keine andere Autorität an als die des Papstes. Ich hatte es trotz seiner Berühmtheit nie mit eigenen Augen gesehen. Das überraschte Bruder Edmund – wie so viele andere glaubte er, Zugehörigkeit zu einer vornehmen Adelsfamilie bedeute zugleich auch eine genaue Kenntnis Londons. Doch es gab viele Teile der Stadt, die ich nicht kannte.
    Beim Kloster angekommen, traten wir durch einen imposanten Torbogen, in dessen Stein das Dominikanerwappen mit seinen Sternen und Lilien und dem Wort Veritas eingemeißelt war, und gelangten in einen mit Kopfsteinen gepflasterten Hof, so groß wie der des Winchester-Palasts. Hinter einem Pförtnerhaus zur Linken erhob sich, von hohen Steinmauern umschlossen, eine gewaltige Burg mit einem Friedhof und mehreren Nebengebäuden – die königliche Festung, die vor langer Zeit zu einemKloster geworden war. Einen solchen Ort würde man zu Pferd oder in einer Sänfte aufsuchen, nicht bescheiden auf Schusters Rappen.
    Wir fanden den Pförtner, einen rotgesichtigen Mann in den Vierzigern, allein im Pförtnerhaus, wo er sich singend die Zeit vertrieb.
    »Das ist Mr John Portinary«, stellte Bruder Edmund vor, »viele Jahre lang der unermüdliche Pförtner von Blackfriars.«
    »Und stolz darauf, stolz darauf«, rief der Mann und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ach, es ist ein Segen, dass Ihr nicht hier wart, als der feige Prior uns dem Willen Cromwells ausgeliefert hat. Nur sechzehn Brüder waren am Ende noch übrig – kann man das glauben? Sechzehn. Von den Hunderten, die früher hier waren. In alle Winde zerstreut. Fort, wie Ihr, Bruder Edmund. Ich weiß, Ihr seid nach Cambridge gegangen, und als das Kloster dort aufgelöst wurde, hat man Euch nach Dartford geschickt, stimmt’s?«
    »Das ist richtig – ich fühle mich geehrt, dass Ihr meinen Weg verfolgt habt«, sagte Bruder Edmund. »Wir kommen beide von Kloster Dartford.«
    »Ich habe die Brüder, die zu großen Hoffnungen Anlass gaben, immer im Auge behalten.« Der Mann musterte mich forschend. »Ah, das ist sie also. Ich erinnere mich, Ihr habt öfter von Eurer Schwester in Dartford gesprochen.«
    Ich wartete darauf, dass Bruder Edmund ihn belehren würde, aber er tat es nicht. Als wir im vergangenen Jahr nach Malmesbury gereist waren, hatten wir uns als Bruder und Schwester ausgegeben, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Vielleicht war es klug, das jetzt wieder zu tun, auch wenn mir solcher Betrug verhasst war.
    »Ich wollte gern heute Abend noch einmal ins Kloster, um zu beten und die Bibliothek zu besichtigen«, sagte Bruder Edmund. »Wäre das möglich?«
    »Möglich?« Der Pförtner lachte. »Ich sage Euch als Pförtner von Blackfriars, dass Ihr jederzeit das Kloster besuchen und auchhier übernachten könnt, wenn Ihr wollt – aber nur, wenn Ihr einen Becher vom Malvasier des Priors mit mir trinkt.«
    Bruder Edmund wollte ablehnen, doch davon wollte der Pförtner nichts hören. Er füllte zwei hohe Becher für uns. Mir wurde warm, als ich von dem schweren, süßen Wein trank, der weit stärker war als der verwässerte Erdbeerwein, den ich manchmal zu mir nahm.
    Bruder Edmunds gerötete Wangen verrieten mir, dass auch er die berauschende Wirkung des Weins spürte.
    »Wir haben nur noch etwa eine Stunde Tageslicht und noch einiges zu tun«, sagte Bruder Edmund und stand auf. »Ich danke Euch für den Malvasier, aber – «
    »Bleibt doch noch ein

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