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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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einen Schritt zurück. Ich errötete tief.
    Immer noch lachend machten die beiden Männer sich davon.
    Ich räusperte mich. »Ich verstehe das alles nicht«, sagte ich. »Diese Bilder von allen möglichen Tieren – warum müssen diese Prophezeiungen so dunkel und geheimnisvoll sein?«
    »Prophezeiungen sind gefährlich«, erwiderte Bruder Edmund, der seine Gelassenheit wiedergefunden hatte. »Der König weiß das, deshalb fürchtet und hasst er sie. Er hat sie für ›teuflische Fantasterei‹ erklärt. Von Prophezeiungen dessen, was kommenwird, können Menschen sich zu Akten der Gewalt und der Verzweiflung verleiten lassen. Wisst Ihr etwas über Codes?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ausländische Botschafter und Staatsmänner – und die Spione in ihren Diensten – bedienen sich in ihren Mitteilungen oft geheimer Codes, um Sinn und Bedeutung ihrer Nachrichten vor anderen, die sie missbrauchen könnten, zu verbergen. Tiere oder Pflanzen zum Beispiel können für bestimmte Personen oder Ereignisse stehen. Aber ein Code ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn beide Parteien die Bedeutung verstehen: der Absender und der Empfänger.«
    »Aber darum geht es ja gerade«, sagte ich. »Ich verstehe nichts .«
    »Codes sind nicht immer schwer zu entschlüsseln«, sagte Bruder Edmund. »Die Worte der Mother Shipton – Reitet die Kuh einst auf dem Stier, dann, Priester, geht’s ans Leder dir – hat man weithin so verstanden, dass Anne Boleyn König Heinrich beherrscht.«
    Es war, als öffnete sich eine Tür. »Der Stier ist der König«, rief ich. »Aber Orobas hat gesagt: Baut auf den Bären, wenn ihr den Stier schwächen wollt . Der Bär muss also für den Mann oder die Frau stehen, der König Heinrich schwächen wird. Aber wer ist der Bär?«, fragte ich. »Könnte ich der Bär sein?«
    Bruder Edmund dachte einen Moment nach, dann schüttelte er den Kopf. »Ich habe keine Ahnung.«
    »Warum überhaupt ich? Warum soll ausgerechnet ich auserwählt sein, irgendeine entscheidende Tat zu vollbringen? Schwester Barton hat zu mir gesagt: Ihr seid die Ausersehene, die nachkommen wird . Gertrude hat gesagt, ich würde die Retterin des wahren Glaubens in England sein. Und Orobas hat erklärt, die Zukunft des ganzen Königreichs hänge an einer Entscheidung von mir. Aber ich besitze weder Macht noch Einfluss über irgendjemand. Ich bin nicht einmal mutig.«
    Bruder Edmund lächelte. »Darüber lässt sich streiten.« Er wurde wieder ernst. »Nun, ich könnte mir zwei Gründe vorstellen, weshalb das Los auf Euch gefallen ist. Erstens, Ihr seid eine Stafford.Ich weiß, dass Ihr nichts auf Eure adelige Abstammung gebt, aber durch sie habt Ihr Zugang zum Hof und zum König, und auch zu Cromwell, wenn Ihr das wünschen solltet.«
    »Tue ich aber nicht«, sagte ich mürrisch. »Und der zweite Grund?«
    »Ihr seid Dominikanerin. Vielleicht hat Schwester Elizabeth Barton mit ihrer Gabe, in die Zukunft zu sehen, bei Eurem Besuch schon gewusst, dass Ihr in unseren Orden eintreten würdet.«
    »Aber warum sollte ich, nur weil ich Dominikanerin bin, zum Werkzeug einer Prophezeiung bestimmt sein? Es gibt andere Orden, die viel tiefer in der Mystik verankert sind.«
    »Unserem Orden fehlt es nicht an einer zutiefst mystischen Orientierung«, beharrte er. »Wir sind von Gott umgeben. Das Wissen, das uns zuteilwird, die Weisheit und die Erkenntnis, sind mit dem Intellekt nicht fassbar. Zu diesem Wissen gehören auch Fingerzeige in die Zukunft.«
    »Also kann jeder Dominikaner Prophet werden?«, fragte ich schockiert.
    »Nein, nein, nein«, entgegnete er. »Nur sehr wenige verfügen über seherische Kräfte. Ach, hätte ich nur die Bücher eines dominikanischen Klosters zur Hand. Dann könnten wir versuchen, den Schlüssel zu diesen Prophezeiungen zu finden. Ohne Wissen gibt es nur Angst.«
    Bruder Edmund hatte recht. Es war Zeit, die Flucht vor den Prophezeiungen aufzugeben. Wenn es mir gelänge, sie zu entschlüsseln, würde ich wenigstens durch Wissen einen gewissen Vorteil erlangen.
    Doch ich sah sogleich die Schwierigkeit. »Die Klöster sind alle zerstört worden und mit ihnen ihre Bibliotheken«, sagte ich.
    »Das größte von allen – Blackfriars – wurde erst kürzlich dem König übergeben«, meinte Bruder Edmund. »Vielleicht stehen die Bücher noch in der Bibliothek.«
    »Kennt Ihr das Kloster?«, fragte ich.
    Er nickte. »Ich war nach meiner Profess vier Jahre Ordensbruderdort. Wir könnten heute nach Blackfriars gehen und später

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