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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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beginnen«, sagte sie. »Er war nirgends zu finden. Weder seine Schwester noch sein Bruder konnten uns weiterhelfen. Wir haben bei diesem Studenten aus Cambridge anfragen lassen, Mr Cheke, doch vergeblich. Seit diesemunglückseligen Handgemenge mit dem Constable hat niemand etwas von Mr Sommerville gesehen oder gehört.«
    Mein Liebster war in Schwierigkeiten – ich musste ihm helfen, nur ich konnte ihm helfen.
    »Edmund zieht sich manchmal in die Einsamkeit zurück, um in der Stille zu beten«, sagte ich. »Er wird mich ganz sicher morgen aufsuchen.«
    Endlich waren sie einverstanden. Eine halbe Stunde später erschien Kitty, in einem Zustand heller Aufregung, der meinen Verdacht bestätigte, dass meine gescheiterte Hochzeit Stadtgespräch war. Sie erklärte sich bereit, bei mir zu übernachten.
    »Alles wird gut werden, Joanna – Ihr werdet sehen«, versicherte Ursula und küsste mich auf die Wange.
    »Möchtet Ihr Suppe haben, Miss Stafford?«, fragte Kitty, als wir allein waren.
    »Später«, sagte ich kurz. Ich stellte mich ans Fenster. Draußen dämmerte es, aber die High Street war, anders als sonst um diese Zeit, immer noch voller Menschen. Ich würde warten müssen, bis es ganz dunkel geworden war.
    Kitty wirtschaftete in der Küche. Ich hörte sie Gemüse schneiden, ich hörte das Zischen des Feuers unter dem Suppenkessel. Zwar war mir nicht wohl dabei, sie täuschen zu müssen, doch ich hatte keine Wahl. Ich schlüpfte aus der Tür.
    Auf halbem Weg zum Hospital wäre ich auf der Straße beinahe mit Humphrey zusammengestoßen. »Miss Joanna, ich wollte gerade zu Euch«, rief er.
    »Hat Edmund Euch geschickt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wisst Ihr, wo er ist?«
    »Mr Sommerville ist im Hospital«, antwortete Humphrey. »Aber er ist – er ist – ich weiß nicht, ich glaube, er ist krank. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    Das letzte Stück Wegs rannte ich, dicht gefolgt von Humphrey. Als wir uns dem Hospital näherten, sah ich Kerzenschein hinter dem Fenster.
    Ich stieß die Tür auf. »Edmund? Edmund?«
    Niemand antwortete.
    »Er ist hinten, Miss«, sagte Humphrey. »Er kann sich nicht recht auf den Beinen halten.«
    Edmund lag auf einem Strohlager. Er trug noch die Hochzeitskleidung, das hellgraue Wams und die Kniehose dazu. Im ersten Moment dachte ich, er wäre bewusstlos, so still lag er da. Hier hinten brannte keine Kerze.
    Ich kniete neben dem Strohsack nieder. »Edmund«, flüsterte ich. »Ich bin hier.«
    Sehr langsam drehte er den Kopf. »Joanna?« Seine Stimme klang undeutlich, als wäre er benommen. »Ihr seid zu mir gekommen?«
    Mein Herz begann wie wahnsinnig zu hämmern. »Humphrey«, rief ich, »bringt die Kerze.«
    Ich hielt die Kerze hoch, sodass ihr Licht Edmunds Gesicht überflutete. Er sah aus, als wäre er halb im Schlaf, ruhig und sehr friedlich. Seine Augen waren wie glanzlose dunkle Steine. So hatte ich sie seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Und selbst damals, als er scheinbar rettungslos in der Abhängigkeit von der roten Blume Indiens gefangen gewesen war, war die Stumpfheit in seinem Blick nicht so ausgeprägt gewesen.
    »Er hat neben seinem Apothekertisch auf dem Boden gelegen, als ich ihn fand«, sagte Humphrey. »Verzeiht die Frage, Miss Stafford, aber er ist doch nicht betrunken?«
    »Nein, er ist nicht betrunken«, sagte ich.
    Meine Hand begann heftig zu zittern, und ich stellte die Kerze auf den Boden.
    »Joanna?«, murmelte Edmund. Er zwinkerte ein paarmal. »Seid Ihr wirklich hier?«
    »Ja, ich bin hier«, antwortete ich. »Geht zum Bell Inn«, sagte ich zu Humphrey, »und fragt nach John Cheke. Bitte holt ihn hierher. Aber sagt niemandem, in welchem Zustand Edmund sich befindet. Das ist sehr wichtig. Versteht Ihr?«
    »Ja, ich verstehe.« Humphrey eilte schon davon.
    Ich hockte mich neben Edmunds Lager auf den kühlen Boden.
    »Weint Ihr, Liebste?«, fragte er. »Warum?«
    »Es ist nichts«, sagte ich mit tränenerstickter Stimme.
    Nach einer kleinen Weile sagte er: »Ihr tragt immer noch Euer Hochzeitskleid.«
    Ich blickte an meinem blassgoldenen Rock hinunter. »Ja.«
    Die Geschichten, die Lieder und Gedichte, die von gebrochenen Herzen erzählten, hatten bei mir immer Vorstellungen von einem Gefühl wehmütiger Trauer erweckt. Aber es war ganz anders. Der Schmerz zerriss mich beinahe.
    »Ihr seht müde aus. Legt Euch zu mir«, sagte er. »Alles wird gut, Joanna.«
    »Ja, Edmund.«
    Ich legte mich neben ihn auf das schmale Lager. Ich drehte mich auf die Seite

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