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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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zu werden noch nachzulassen.
    Auf Zehenspitzen schlich ich zu Nellys Zimmer neben der Küche. Ja, die Geräusche kamen unverkennbar von dort.
    Ich hatte die Hand an der Tür, bereit, sie aufzustoßen, als ich im Zimmer dahinter jemanden sprechen hörte. »Ja – ja, so«, flüsterte Jacquard.
    In meiner Eile zu verschwinden ließ ich den Dolch fallen. Ich hob ihn nicht auf. Ihn in der Dunkelheit zu suchen, hätte zu langegedauert. Ich wollte nicht mit Jacquard und Nelly zusammentreffen.
    Oben schloss ich die Tür ab und warf mich auf mein Bett. Es dauerte lange, ehe ich einschlief, und am nächsten Morgen wurde ich später wach als gewohnt.
    Als ich mich ankleidete, hörte ich von unten Männerstimmen. Hantaras saß im Gespräch mit Jacquard am Tisch, während Nelly ihnen Brot und Bier servierte. Hantaras besuchte uns regelmäßig im Haus, aber gewöhnlich kam er abends. Sein dunkler Teint kennzeichnete ihn als Fremden, und gerade jetzt, wo ständig von Krieg die Rede war, verhielten sich die Engländer allen Fremden gegenüber besonders feindselig.
    »Ich wünsche Euch einen guten Morgen«, begrüßte mich Hantaras höflich wie immer.
    Ich blickte zu der Stelle vor Nellys Zimmertür. Der Dolch lag nicht mehr da. Nelly sah mich nicht an.
    Als Hantaras gegangen war, sagte ich: »Jacquard, kann ich Euch drüben im anderen Zimmer sprechen?«
    »Natürlich.« In seinen braunen Augen glomm ein Funke auf. Er fegte einen Brotkrümel von seinem Wams und stand auf.
    Sobald wir allein waren, sagte ich: »Euer Benehmen ist eine Schande. Es muss auf der Stelle aufhören.«
    »Von welchem Benehmen sprecht Ihr?«
    »Das wisst Ihr ganz genau. Lasst also den Spott. Ein kleines Dienstmädchen zu verführen, das kaum fünfzehn Jahre alt ist.« Meine Stimme klang schrill. »Das ist ekelhaft. Ihr seid ekelhaft«, brach es aus mir heraus.
    Jacquard schob die Hände in die Taschen und wippte auf den Fersen auf und nieder. »Kleine Dienstmädchen sind nicht nur die besten Bettgefährtinnen, sie können einem auch sehr viel über ihre Herrinnen erzählen. Nicht nur hier, sondern auch in Dartford.«
    Ich war wie vom Donner gerührt, als ich begriff. »Ihr habt auch Kitty verführt. Daher habt Ihr so viel von mir gewusst – über jeden meiner Schritte und über alle meine Pläne.«
    Er lächelte.
    »Ich kann und will nichts mehr mit Euch zu tun haben«, schrie ich. »Was würde Botschafter Chapuys zu Eurem gemeinen Benehmen sagen – oder Señor Hantaras? Verlasst Euch darauf, ich werde Mittel und Wege finden, um sie über alle diese Vorkommnisse zu unterrichten.«
    Jacquard zog die Hände aus den Taschen. Der amüsierte Funke in seinen Augen erlosch. »Ich habe jetzt wirklich genug von Eurem jungfräulichen Gezeter. Legt Euch nicht mit mir an, Joanna Stafford. Ich gebe mich mit diesen jungen Dingern nicht nur ab, um mir die Zeit zu vertreiben, sondern um den Auftrag besser zu erfüllen, den mir der Kaiser persönlich gegeben hat: Joanna Stafford zu schützen und sie sicher nach Gent zu bringen und alle jene zu beseitigen, die sie in Gefahr bringen oder aufdecken könnten, welche Bedeutung sie für das Reich besitzt . Doch von dieser Bedeutung habt Ihr offenbar keine Ahnung.«
    »Ich bin nicht dumm«, fuhr ich ihn an. »Ich weiß, dass ich angeblich aufgerufen bin, etwas zu vollbringen, das über die Zukunft dieses Königreichs entscheiden wird.«
    Jacquard lachte. » Dieses Königreichs? Dieser trübseligen kleinen Insel? Glaubt Ihr im Ernst, dass wir deswegen diese ungeheuren Anstrengungen und Kosten auf uns genommen haben? Die zwei mächtigsten Herrscher der Christenheit sind Kaiser Karl und König Franz. Euer König spielt nur eine kleine Rolle – doch unglücklicherweise eine bedeutsame. Heinrich VIII. ist das Zünglein an der Waage, das das Gleichgewicht der Kräfte verändern kann. Und wenn das Zünglein sich in die richtige Richtung neigt, wird Kaiser Karl siegen. Ihr werdet dafür sorgen, dass es so geschieht. So ist es vorausgesagt.«
    Ich erschrak vor dieser Erkenntnis. Der Druck, der auf mir lastete, war beängstigend genug; bei dieser Eröffnung stieg er beinahe ins Unerträgliche. Sie glaubten also, durch mein Handeln würde nicht nur der wahre Glaube in England wiederhergestellt, sondern die Machtbalance in der christlichen Welt verändert werden.
    »Von wem ist es vorausgesagt?«, fragte ich schließlich. »Wenn meine Person von so großer Bedeutung ist, warum könnt Ihr mir dann nicht sagen, wer der dritte Seher ist? Warum

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