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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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noch so vagen Verdacht nachzugehen, hinter jeden Schatten zu schauen.«
    In den Tagen, die ich in Chapuys’ Haus verbrachte hatte, war ein Plan ausgearbeitet worden. Jacquard erschien gleich am ersten Abend – Chapuys hatte offensichtlich genau gewusst, wo er zu finden war. Ich erfuhr, dass Hantaras und Jacquard trotz meiner Proteste im Kloster St. Sepulchre unverzüglich mit der Beschaffung gefälschter Papiere und einer Ausreisegenehmigung für ein Ehepaar begonnen hatten. Sobald ein Schiff bereit war, würden wir an Bord gehen. Für die Passage war kein Preis zu hoch. Die größte Schwierigkeit, die es zu überwinden galt, war die Frage, wie Joanna Staffords Verschwinden aus Dartford zu erklären war. Wenn ich den Leuten in Dartford erzählt hätte, ich wollte nach Stafford Castle zu meinen Verwandten, so wäre diese Lüge leicht aufzudecken gewesen; der Herzog von Norfolk stand ja in Verbindung mit seinem Schwager, meinem Cousin Henry. Nach stundenlangen Überlegungen wurde beschlossen zu verbreiten, ich wäre nach Hertfordshire gereist, um einige Monate bei meiner engsten Freundin, Schwester Winifred, zu verbringen. Chapuys stellte einen seiner Leute ab, den Hof von Marcus Sommerville zu überwachen und an mich gerichtete Briefe abzufangen. Bisher war keiner eingetroffen.
    Niemanden schien es zu überraschen, dass ich mich nun dochfreiwillig als Helferin im Kampf für die Sache des päpstlichen Lagers zur Verfügung gestellt hatte. In Dartford hatte Jacquard zu mir gesagt: Ihr werdet zu uns kommen und uns anflehen , Euch nach Gent zu bringen . Es machte mir Angst, dass alles, was ich tat, den Vorhersagen eines Fremden in einem anderen Land folgte. Chapuys, Jacquard und Hantaras weihten mich in alle Pläne ein – nur wer der dritte Seher war, verrieten sie mir nicht. Sie begnügten sich damit zu sagen, dass seine seherische Gabe vom Dominikanerorden bestätigt worden sei.
    »Esst etwas – ihr müsst bei Kräften bleiben«, sagte Jacquard. »Danach üben wir mit dem Scheibendolch.«
    Botschafter Chapuys hatte vor seiner Abreise aus England vorgeschlagen, mich in gewissen Kampfkünsten auszubilden. Ich hatte meinen Ohren nicht trauen wollen. In meinem ganzen Leben hatte ich von keiner zur Kämpferin ausgebildeten Frau gehört. »Wenn Ihr das Tanzen lernen könnt, dann könnt Ihr auch das Kämpfen lernen«, sagte der unerschütterliche Botschafter. »Der Unterschied ist gar nicht so groß. Und wir müssen alles dafür tun, dass Ihr Euch im Notfall selbst schützen könnt.«
    Er sagte nicht – brauchte es gar nicht zu sagen –, dass es hier keineswegs nur um Verteidigung ging, sondern auch um Angriff.
    In meinem kleinen Schlafgemach legte ich meine Kleider und die alberne Perücke ab und steckte mein schwarzes Haar hoch. Dann schlüpfte ich in meine Kampftracht, den Anzug eines Knaben: ein loses Hemd und eine Strumpfhose. Es war ein unziemlicher Anzug, doch in meinen Gewändern konnte ich nicht richtig üben.
    Jacquard, der ähnlich gekleidet war, verbeugte sich, als ich das Zimmer betrat, in dem wir unsere Übungsstunden abhielten. Er reichte mir einen zwölf Zoll langen Stahldolch mit abgestumpfter Spitze, genau wie er selbst einen in der Hand hielt.
    Ich umfasste fest den holzgeschnitzten Griff, und dann begannen wir.
    »Drehung, Ausfallschritt und Stoß; Drehung, Ausfallschritt und Stoß«, diktierte Jacquard. Nach der ersten Runde meinte er:»Ihr macht Fortschritte. Ihr habt eine schnelle Auffassungsgabe, und Ihr seid wendig. Fehlt nur noch die Form. Noch zwei, drei Übungsstunden, und Ihr seid wahrhaft …« Er hielt inne, auf der Suche nach dem richtigen Wort.
    »Gefährlich?«, fragte ich.
    » Précisement «, bestätigte er.
    Ich wollte gefährlich sein. So hatte der Hass mich verändert. Deshalb fürchtete ich tief in meiner Seele diese Übungsstunden mit Jacquard. Sie zeigten mir eine Seite von mir, die beinahe unmenschlich war in ihrer Grausamkeit. So tief war ich seit den Tagen meines Noviziats bei den Dominikanerinnen gefallen. Damals hatte ich an Frieden, Opferbereitschaft und Vergebung geglaubt. Heute betete ich nur noch selten, und dann nur darum, nicht wankend zu werden in meinem Mut, wenn der Tag der Entscheidung kam.
    Bei der dritten Übungsrunde passierte mir ein Missgeschick, ich ließ mich zu tief in den Ausfallschritt fallen und stürzte flach auf den Rücken. Mein Haar löste sich aus den Nadeln und fiel mir auf die Schultern herab.
    »Habt Ihr Euch verletzt?«, fragte Jacquard und

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