Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
aus Dartford«, sagte Jacquard. »Constable Scovill hat geheiratet.«
Ich zuckte zusammen und sah an dem Aufblitzen in Jacquards Augen, dass er genau das bezweckt hatte – mich zu treffen. Ich hatte Geoffrey so oft von mir gestoßen; jetzt begann er ein neues Leben mit einer Frau, die ihn wahrhaft liebte, so wie er es verdiente. Ich hätte nichts als Freude über diese Nachricht verspüren müssen.
»Es hat viel Gerede gegeben«, fuhr Jacquard fort, »weil die Braut offensichtlich guter Hoffnung war.«
Seit wann wussten die beiden das schon? Sie war nicht zu Agathas Hochzeit gekommen; weil sie sich nicht wohlfühlte, hatte Geoffrey gesagt. War es möglich, dass sie da schon schwanger gewesen war – und doch hatte er mir an diesem Nachmitttag seine Gefühle offenbart?
Ich schob diese Gedanken weg.
»Ich weiß, ich habe Euch das schon früher gefragt, doch ich verstehe es immer noch nicht«, sagte ich. »Warum sollte jemand hierherkommen, in die St. Paul’s Row, und nach uns fragen, wenn wir weg sind? Ihr seid niemandem verdächtig – Cromwell hält Euch für einen seiner Leute.«
Jacquard sah mich einen Moment an. Statt mir zu antworten, rief er zur Küche: »Nelly, ich möchte mein Abendessen.« Sie bereitete rasch einen Teller mit Fleisch und Käse. Vor ihr konnten wir frei reden. Nellys Mutter war die Mätresse von Pedro Hantaras, dem Mann, der mich vor Chapuys’ Haus empfangen hatte und dem ich seither wohl ein Dutzend Mal begegnet war. Hantaras war der Mann, dem Chapuys am meisten vertraute; seine Mätresse setzte sich unermüdlich für die spanische Sache ein, und nun folgte ihre Tochter ihrem Beispiel.
Ich wusste, dass Jacquard mir zu gegebener Zeit Antwort geben würde. Er schlief gewöhnlich nicht hier im Haus, ich sah ihnnicht regelmäßig. Doch in dieser Maskerade des jungen Ehepaars – die mir im Übrigen häufig Unbehagen bereitete – hatten wir doch so viel miteinander zu tun, dass ich seine Angewohnheiten kennengelernt hatte.
»Um Cromwell sorge ich mich nicht«, sagte Jacquard genau in dem Moment, in dem ich seine Antwort erwartet hatte.
»Um wen dann? Ihr habt doch gesagt, dass er die Genehmigungen zur Ausreise prüft«, beharrte ich. »Warum sollte er sich irgendwelche Gedanken machen, wenn er Euren Namen sieht? Ihr habt ihm erklärt, dass Ihr nach Hause müsst und Eure Frau mitnehmen möchtet.«
Jacquard zufolge hatte Cromwell ihm durch einen Mittelsmann zu seiner Hochzeit gratulieren lassen. Ein Geldgeschenk hatte es allerdings nicht gegeben. »Was für ein Knauser«, hatte Jacquard lachend gesagt. Dennoch war er erleichtert gewesen darüber, dass jedermann unsere gefälschte Heiratsurkunde akzeptierte. Jacquard und Catherine Rolin hatten die Genehmigung erhalten, in die Niederlande auszureisen. Ein Versuch, in diesen Zeiten, da jeden Tag Krieg drohte, England ohne Cromwells Zustimmung zu verlassen, wäre mit dem Tod bestraft worden. Die Kriegsvorbereitungen waren weiterhin in vollem Gang: Musterungen wurden abgehalten, Schiffe gerüstet, Festungsanlagen gebaut.
Chapuys war inzwischen abberufen worden. Er erwartete uns in seinem Haus in Antwerpen und würde mich nach Gent begleiten. Die Schwierigkeit war nur, dass es keine Schiffe gab, die von England nach den Niederlanden segelten. Es stachen kaum noch Schiffe zu fremden Ländern in See.
Ich begriff plötzlich, was Jacquard beunruhigte – warum er Täuschung und Betrug so weit treiben musste.
»Gardiner?«, fragte ich.
Jacquard nickte.
Ich stieß den Teller weg, den Nelly mir gerade hingestellt hatte. »Was wisst Ihr?«, fragte ich scharf. »Was habt Ihr gehört?«
Er gab Salz auf seine Hähnchenkeule und sagte: »Ich habe gar nichts gehört. Aber vielleicht hält Gardiner es für notwendig, dieAusreisegenehmigungen ebenfalls zu prüfen. Er steigt jeden Tag höher im Ansehen des Königs, seit die Sechs Artikel in Kraft getreten sind. Wenn er meinen Namen sieht, wird ihm vielleicht das Wort Dartford auffallen. Wenn er dann noch sieht, dass ich eine Ehefrau mitnehme, wird er vielleicht genau den Schluss ziehen, den er auf keinen Fall ziehen soll.«
»Aber warum ?«, rief ich. »Warum sollte er ausgerechnet auf mich kommen?«
Jacquard biss ein Stück Fleisch ab und kaute sehr wohlerzogen mit geschlossenem Mund, bevor er antwortete. »Ich glaube, der Bischof ahnt etwas. Er spürt, dass mit Euch etwas nicht stimmt. Ich habe selbst schon solche Ahnungen gehabt, und ich habe gelernt, mich immer auf sie zu verlassen – jedem
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