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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Dutzend Schiffe, über denen ein Wald von Masten in den Himmel hineinragte.
    Jacquard lächelte über mein Staunen. »Wartet nur, bis Ihr erst Antwerpen seht«, sagte er.
    Seit er mir das Versprechen abgenommen hatte, seinem Wort bedingungslos zu folgen, hatte sein Verhalten mir gegenüber sich geändert. Er hatte die übertriebene Höflichkeit abgelegt; das spöttische Lächeln war verschwunden. Und er hatte die letzten Nächte ausnahmslos allein in der Schlafkammer neben meiner genächtigt. Ich vermutete, dass er seine Liebschaft mit Nelly als eine Art Geste mir gegenüber abgebrochen hatte. Dennoch hatte ich das Gefühl, das junge Mädchen im Stich gelassen zu haben, weil ich es nicht vor Jacquards Nachstellungen geschützt hatte. Als ich mich von Nelly verabschiedete, machte ich ihr ein kleinesGeldgeschenk. Sie nahm es dankbar an, doch aus irgendeinem Grund fühlte ich mich danach nur noch unzulänglicher.
    »Welches ist unser Schiff?«, fragte ich.
    »Das größte natürlich.« Er wies auf ein massiges aus Holz gebautes Schiff mit drei Masten, das vom Bug bis zum Heck gewiss zweihundert Fuß maß. »Das ist eine Galeone«, erklärte Jacquard. »Seht Ihr die großen Löcher in den Wänden für die Kanonen?«
    An Deck, wo die Seeleute das Schiff zur bevorstehenden Abfahrt bereitmachten, herrschte rege Geschäftigkeit. Hinten im Deck gähnte eine große viereckige Öffnung, durch die schwere Kisten in den Schiffsrumpf hinunterbefördert wurden. Wie sollte ein so stattliches Bauwerk voller Menschen und Fracht sich schnell durchs Wasser bewegen können? Es erschien mir unmöglich.
    »Ich freue mich darauf, den Kapitän kennenzulernen, denn er scheint auf jeden Fall kein Feigling zu sein«, bemerkte Jacquard.
    »Und warum glaubt Ihr das?«
    »Er ist letzte Woche mit einem ganzen Frachtraum voll Schießpulver von Hamburg nach London gesegelt, durch Gewässer, in denen es von Piraten und Feinden König Heinrichs wimmelt«, sagte Jacquard. »Die Einzigen, die bereit waren, Heinrich Schießpulver zu liefern, waren die Deutschen. Stellt Euch vor, was eine einzige Kanonenkugel angerichtet hätte – oder ein brennender Pfeil.« Jacquard schleuderte beide Hände hoch. »Bum!«, sagte er und lachte.
    Ich konnte nichts Komisches an der Vorstellung finden. »Haben sie das Schießpulver jetzt ausgeladen?«, fragte ich.
    »Bis auf die letzte Unze«, versicherte er. »Der König hat es an seine Festungen verteilen lassen. Die Deutschen sind sehr entgegenkommend. Er bekommt Schießpulver von ihnen und eine vierte Ehefrau.«
    »Die nächste soll die Prinzessin von Kleve werden?«
    Jacquard vergewisserte sich, dass die Bootsleute nicht in Hörweite waren. Dann nickte er. »So scheint es. Er hat die Wahl zwischenzwei Schwestern: Anna und Emilia. Er hat Hans Holbein nach Kleve gesandt, um die beiden Damen malen zu lassen.«
    Ich versuchte, mein Erschrecken zu verbergen, als mir die Prophezeiung Orobas’ einfiel: Der König hat einen zweiten Sohn bekommen. Cromwell steht hinter dem Knaben, der jetzt König ist, er herrscht über das Land.
    Als unser Boot angelegt hatte, dingte Jacquard zwei junge Burschen, damit sie unsere Schiffskisten zu dem für das Gepäck bestimmten Platz trugen. Wir hatten noch mindestens eine Stunde Wartezeit vor uns, doch wir gingen nicht in die Stadt, sondern Jacquard führte mich zu einem baumbestandenen Stück Land unweit der Straße und hieß mich dort auf einem umgestürzten Baumstamm auf ihn warten.
    »Ich muss unsere Papiere dem Kapitän vorlegen, und ich kann mir ein besseres Bild von ihm machen, wenn ich allein mit ihm bin«, erklärte er. »Je weniger Ihr gesehen und gehört werdet, desto besser ist es.«
    Ich erhob keine Widerrede. Ich war froh, eine Weile allein sein und mich innerlich für diese Seereise rüsten zu können. Die Reise würde nicht lang dauern – Jacquard hatte von zwei Tagen gesprochen –, doch ich hatte England noch nie verlassen und nie damit gerechnet, es einmal zu verlassen.
    Ein ungutes Gefühl erwachte in mir, als ich Jacquard zurückkommen sah. Seine Miene verriet, dass etwas an dem Kapitän ihm nicht gefiel.
    »Er ist ein harter Mann, das sieht man gleich, und korrupt bis in die Fingerspitzen«, sagte Jacquard. »Ein Menschenschlag, wie ich ihn gebrauchen kann, aber es gibt auch Gefahren. Ich habe ihm eine stattliche Summe für die Überfahrt geboten – und ein kleines Vermögen dazu, damit wir so bald wie möglich in See stechen. Doch wenn ihm jemand ein besseres

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