Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Zusammenkunft bitten. Es muss etwas zu bedeuten haben, dass Ihr mir im Augenblick meiner Ankunft in dieser Gemeinde gewissermaßen in den Weg gestoßen wurdet. Gott hat uns beiden ein Zeichen gesandt.«
Ich blickte verwundert zu ihr hinunter. »Was wollt Ihr damit sagen?«
»Ich soll Euch retten – es ist meine Bestimmung«, erklärte sie. »Joanna, ich habe so viel, und Ihr habt so wenig. Lasst mich Euch helfen. Wir wollen einander Schwestern sein. Verlasst diesen schrecklichen Ort und kommt mit mir – heute noch.«
Einen Moment fehlten mir die Worte. »Aber meine Freunde … meine Werkstatt … Arthur …«
»Margaret Bulmers Sohn wäre uns so willkommen wie Ihr«,versicherte sie, immer noch zu meinen Füßen kniend. »Es wäre mir eine Ehre, mein Haus mit Euch und Arthur zu teilen.«
Ich spürte, dass ihr Angebot von Herzen kam. »Bitte steht auf, Gertrude«, bat ich und reichte ihr die Hand. »Ein Leben in London, in nächster Nähe zum Hof«, erklärte ich behutsam, »das ist nichts für mich.«
»Ich bin niemals bei Hofe«, entgegnete sie eilig. »Henry muss natürlich anwesend sein, aber seit dem Tod von Königin Jane habe ich kein Amt mehr, das meine Anwesenheit verlangt. Und wir verbringen ja auch nur vier oder fünf Monate des Jahres in London. Im Frühling kehren wir stets in den Westen zurück, wo die meisten von Henrys Besitztümern liegen. Cornwall ist wunderschön; ich würde es Euch so gern zeigen. Das Meer, die Wälder, die Blumenpracht – «
Als zornige Stimmen von unten ihre schwärmerische Schilderung störten, gab sie Constance ein Zeichen, und die Hofdame schlüpfte hinaus. Ich eilte zur Tür.
»Joanna, wartet.« Gertrude packte mich mit erstaunlicher Kraft am Handgelenk. »Ihr dürft Euch nicht wieder in Gefahr begeben.«
Ich riss mich los. »Dies ist mein Haus«, sagte ich. »Ich muss nach dem Rechten sehen.«
Ich war halb die Treppe hinunter, als ich ihn erblickte. Die zwei Courtenay-Bediensteten, die zur Bewachung meines Hauses zurückgeblieben waren, rangen erbittert mit einem hochgewachsenen jungen Mann, dem es gelungen war, ins Haus einzudringen. Die Tür hinter ihm stand sperrangelweit offen, und er drängte sich mit kraftvollen Ellbogenstößen zu meinem Empfangszimmer vor, während die beiden Bediensteten erfolglos versuchten, ihn aufzuhalten.
Mit einem wütenden Knurren ließ der Größere der beiden Courtenay-Männer sich zurückfallen und zog sein Schwert. »Gebt auf«, befahl er.
»Nicht bevor Ihr mir sagt, wo ich Joanna Stafford finde«, gab der Mann erregt zurück.
»Ich bin hier, Geoffrey«, rief ich laut.
Geoffrey Scovill schaute zu mir hinauf. »In der Tat, da seid Ihr«, sagte er.
Kapitel 6
Ein Lächeln der Erleichterung flog über Geoffreys Gesicht. Mit einer Hand schob er das Schwert weg, das ihn bedrohte, und sagte: »Das könnt Ihr Euch jetzt sparen.« Mit der anderen zog er sein im Handgemenge verrutschtes Wams zurecht. »Oh, ich habe einen Knopf verloren.«
Ich musste lachen, ich konnte nicht anders. Und Geoffrey lachte mit, eine Spur verlegen.
Ich war Geoffrey Scovill, dem Constable aus Rochester, zum ersten Mal begegnet, als er mich in Smithfield bei Margarets Verbrennung vor Angriffen des Pöbels rettete. Seither waren wir manches Stück Weg gemeinsam gegangen, nicht immer einig und unbeschwert. Er sah anders aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Das hellbraune Haar, offensichtlich frisch geschnitten, fiel ihm in akkurat gestutzten Fransen tief in die Stirn, ganz der höfischen Mode entsprechend, auf die er, solange ich ihn kannte, nie etwas gegeben hatte. Auch seine Kleidung, früher stets Flickwerk aus getragenen und geänderten Sachen, war neu und modisch. Doch die tiefblauen, jetzt von Lachfältchen umgebenen Augen waren so vertraut wie immer.
»Was gibt es denn so Erheiterndes?«, fragte Gertrude, die die Treppe herunterkam. Ihr Ton war scherzhaft, doch ihr Schritt entschlossen, als sie zur Haustür ging und sie schloss.
Ich beherrschte meine Lachlust mit Mühe. »Das ist mein Freund Geoffrey Scovill«, erklärte ich. »Er ist Constable in Rochester.«
Geoffrey verneigte sich tief, als ich ihn in aller Form mit der Marquise bekannt machte, der Ausdruck der Überraschung in seinem Gesicht entging mir trotzdem nicht.
»Uns hat er erklärt, er wäre hier in Dartford der zuständige Constable und hat sich aufgeführt wie ein Barbar«, bemerkte der kleinere Bedienstete immer noch aufgebracht.
»Ihr hättet nur auf meine Nachfrage an der
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