Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Tür antworten müssen«, sagte Geoffrey, »dann hätte es keine Schwierigkeiten gegeben.«
»Wir sind nicht befugt, auf Anfragen von Fremden zu antworten, wenn es die Herrschaft nicht ausdrücklich geboten hat«, entgegnete der Größere der beiden Männer.
Noch während dieses Austauschs erschien Schwester Beatrice. Sie war nicht mit mir nach oben gekommen, aber im Haus geblieben. Jetzt rief sie, geradezu flatternd vor Erregung: »O Geoffrey, die Berufung ist sicher?«
»Ich verstehe nicht«, sagte ich. »Welche Berufung?«
»Hier in Dartford wird ein Constable gebraucht, und der Posten ist mir anvertraut worden. Ich bin nicht mehr für Rochester zuständig.« Geoffreys Worte waren an mich gerichtet, doch sein Blick galt Schwester Beatrice. Mich brachte diese Neuigkeit aus der Fassung. Geoffrey hier, in Dartford, jeden Tag? Ein Gefühl der Unsicherheit befiel mich. Ich hatte ihn in den vergangenen sechs Monaten nur einmal, im Juli, gesehen. An diesem Nachmittag hatte er Schwester Beatrice und mich zum Margaretenfest begleitet. Es wurde ein seltsamer Tag. Geoffrey war mit seinen Gedanken woanders; Musik, Eselrennen, Kletterkünstler, ja selbst das Preisschießen der Bogenschützen schienen ihn nicht zu amüsieren. Als es dämmerte, brachte er uns eilig nach Dartford zurück, und ich hatte ihn seitdem nicht wieder gesehen.
»Was sagt Richter Campion dazu?«, fragte ich. Der hochbetagte Friedensrichter hatte einen großen Teil von Geoffreys Lohn aus eigener Tasche bezahlt, um bei ernsteren Verbrechen jederzeit auf den scharfen Verstand und die jugendliche Kraft des jungen Constable zurückgreifen zu können.
»Richter Campion ist tot«, antwortete Geoffrey. »Aber jetzt will ich wissen, was hier passiert ist und warum Euer Haus bewacht wird.«
Geoffreys Zorn brach sich Bahn, noch ehe ich zu Ende berichtet hatte. Er schlug sich ungeduldig auf den Schenkel. »Konnte Euch denn Sommerville nicht helfen?«, fragte er scharf. »Weiß Gott, der Mann taugt zu nichts.«
»Es ist doch nicht Bruder Edmunds Schuld«, hielt ich ihm entgegen.
»Nein, es ist nie seine Schuld«, knurrte Geoffrey.
Ich merkte, wie Gertrude, die dem Gespräch schweigend zugehört hatte, mich ansah. Ihr Blick verriet Überraschung, aber nicht das allein, er hatte wieder dies nachdenklich Forschende, als grübelte sie über einer wichtigen Entscheidung.
Noch ehe ich mir weitere Gedanken machen konnte, klopfte es draußen. Henrys Haushofmeister, der streng dreinblickende Charles, führte zwei Personen herein: Gregory, den Oberschreiber des Amts für Bauwesen, und Mrs Brooke. In allen Einzelheiten berichtete er Gertrude, was sich vor dem für mich so demütigenden Zwischenfall in der High Street im Dorf und im Amt zugetragen hatte.
Gregorys schweißfeuchtes Gesicht verriet, wie unwohl er sich fühlte. Mrs Brooke jedoch zeigte nur Trotz. »Ich habe nichts Widergesetzliches getan«, trumpfte sie auf. »Und ich bin unter Protest hierher geschleppt worden. Ich weiß allerdings gut genug, warum.« Sie warf hochmütig den Kopf zurück und bedachte mich mit einem hasserfüllten Blick.
Geoffrey schlüpfte in seine Rolle als amtlicher Vertreter des Gesetzes und entgegnete: »Nein, auf den ersten Blick habt Ihr nicht gegen das Gesetz verstoßen, Missis Brooke. Aber Euer Verhalten gibt doch zu näherer Prüfung Anlass. Und ich werde nicht säumen, sie vorzunehmen.«
»Constable, Ihr erlaubt?« Ohne auf eine Antwort zu warten, trat Gertrude vor Mrs Brooke hin. »Ihr wisst, wer ich bin?«, fragte sie in mildem Ton.
»Aber ja, Ihr seid die Marquise von Exeter«, antwortete Mrs Brooke.
»Und wisst Ihr auch, was das bedeutet?« Gertrude trat noch einen Schritt näher. Die Diamanten an ihrem Samtschuh funkelten.
Mrs Brooke machte ein mürrisches Gesicht.
»Ich will es Euch erklären.« Gertrude faltete die Hände, als wollte sie beten. »Mein Gemahl, Henry Courtenay, ist der Enkel Eduards IV. und wurde zusammen mit seinem Cousin, unserem König Heinrich, und dessen Schwestern aufgezogen. Der König vertraut ihm mehr als all seinen anderen Verwandten. Ihm allein ist es gestattet, die Privatgemächer des Königs ohne vorherige Anmeldung des Kammerherrn zu betreten. Ihr habt die Schar der Bediensteten gesehen, die uns begleitet. Sie ist nur ein geringer Teil unserer Dienerschaft. Der König hat uns genehmigt, unsere Leute mit Waffen und Uniformen auszustatten. Alles, was wir tun, sei es im Westen Englands, in London oder hier und heute in Dartford, geschieht
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