Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
ist ein kräftiger und beweglicher Junge. Mag sein, dass die Bücher niemals seine Welt sein werden, aber das braucht ihn doch nicht daran zu hindern, das Leben eines geachteten Edelmanns zu führen – oder sogar bei Hof erfolgreich seinen Weg zu machen. Norfolk sagt oft genug, dass Bücherweisheit den Adel verdorben hat.« Er lachte, ohne zu bemerken, wie ich bei derNennung des Namens Norfolk zusammenzuckte. Niemals würde ich vergessen, wie der Herzog mich in der Zeit meiner Gefangenschaft im Tower gequält hatte; ja, er hatte mich sogar ins Gesicht geschlagen, als ich mich nicht beugte.
»Mein Gemahl ist der beste Vater Englands.« Gertrude, die zu uns auf die Vortreppe hinausgetreten war, streichelte ihrem Mann den Arm.
»Warum besucht Ihr uns nicht zusammen mit Arthur, Joanna?«, fragte Henry. »Bleibt eine Weile bei uns. Lehrer sind da. Er braucht Reit- und Tanzunterricht und muss höfisches Benehmen lernen. Es wäre auch gut für Edward, einen Jüngeren um sich zu haben.«
»Ich habe Joanna schon zu uns nach London eingeladen, aber sie meinte, es gäbe hier in Dartford zu viel zu tun für sie«, warf Gertrude ein. »Sie erwartet in einem Monat den Rest ihres Webstuhls.«
Henry breitete die Hände aus. »Dann kommt auf einen Monat. In vier Wochen könnten wir viel für Arthur tun. Ihr könnt ja im November wieder heimkehren. Ich bin beeindruckt von Eurem Mut, ganz allein ein solches Unternehmen zu wagen. Vielleicht würdet Ihr mir erlauben, mich daran zu beteiligen.«
Nicht einmal als ich unter dem Webstuhl eingeklemmt auf der Straße gelegen hatte, hatte ich so stürmisches Herzklopfen gehabt. Sollte ich das tun – zu den Courtenays übersiedeln? Nach London, in die Stadt, die ich fürchtete, in der ich Margarets Verbrennung erlebt hatte? Doch Gertrude hatte mir versichert, dass sie den königlichen Hof mied, und sie waren beide so sehr bemüht, mir zu helfen. Eine Beteiligung Henry Courtenays an meinem kleinen Unternehmen würde mir zweifellos einen festeren Stand geben. Konnte ich es überhaupt verantworten, die Möglichkeiten, die Arthur hier geboten wurden, auszuschlagen?
»Darf ich Euch einen Moment stören?« Geoffrey Scovills Stimme riss mich aus meinen Gedanken. In die Beobachtung Arthurs vertieft, hatte ich alles um mich herum vergessen, auch, dass Geoffrey noch hier war. Jetzt wollte er mit mir sprechen.
Henry drehte sich um und musterte ihn von oben bis unten. »Und Ihr seid …?«
»Er ist ein Freund von Joanna, Geoffrey Scovill«, erklärte Gertrude mit ausgesuchter Höflichkeit. »Er ist der Constable von Dartford.«
»Ich verstehe.« Henry lächelte, aber seine Augen verrieten Verwirrung. Er konnte sich vermutlich nicht vorstellen, was eine Stafford mit einem Gemeinde-Constable zu tun haben sollte.
»Ich würde Miss Stafford gern einen Moment unter vier Augen sprechen«, sagte Geoffrey.
Henrys Lächeln trübte sich.
»Geoffrey hat meinen Vater gekannt.« Sofort bedauerte ich meine Worte. Es hörte sich wie eine Rechtfertigung an. Aber es wirkte.
»Oh, natürlich«, sagte Henry. »Sollen wir so lange hinausgehen?«
»Nein, nein«, wehrte ich ab. »Wir können in die Küche gehen.«
Neugierige Blicke folgten uns, als ich mit Geoffrey das Zimmer verließ. In der Küche schloss ich die Tür. Auf dem Holztisch lagen noch die Krümel von Arthurs Frühstück. Kitty, meine junge Dienstmagd, war nicht da gewesen.
Geoffrey packte mich bei den Schultern und riss mich an sich. Wir waren einander so nahe, dass ich die Seife riechen konnte, mit der er sich gewaschen hatte. Scharf und beißend. Arme-Leute-Seife. Verfehlt bei einem Mann, der sich in modischer Eleganz versuchte. Bestürzt über sein Verhalten, das allen Respekt vermissen ließ, war ich doch auch gerührt über sein ungeschicktes Bemühen, einen Mann von Stand aus sich zu machen.
»Joanna, hört mir zu«, sagte er. »Ihr dürft nicht mit diesen Leuten gehen.«
»Und warum nicht?«
»Es wäre gefährlich.«
Ich riss mich von ihm los. Seine Befürchtungen waren lächerlich. Ich war so erleichtert gewesen bei der Vorstellung, dass die Courtenays mir bei der Erziehung Arthurs helfen und die drückendeLast der Verantwortung mit mir teilen würden, und jetzt wollte Geoffrey mir den schönen Plan vergällen.
»Ihr wisst, dass die Familie Courtenay zu den reichsten des Landes gehört?«, fragte ich. »Sie verfügen über ein Heer von Bediensteten. Wie sollte mir jemand etwas anhaben können, wenn ich bei ihnen zu Gast
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