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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Gertrude und ihr ganzer Hofstaat würden mich wahrscheinlich für verrückt halten, aber ich musste ihr berichten, was sich im Rittersaal zugetragen hatte.
    Meine Mutter glaubte fest an die Existenz von Geistern, ja, sie schwor, im Stammschloss ihrer Familie in Kastilien mehr als einmal selbst welchen begegnet zu sein. Mein Vater verlachte natürlich auch das als Hirngespinste. Und als ich überlegte, ob es nicht, wie viele glaubten, möglich sei, dass manche Tote keine Ruhe finden, weil ihnen entweder die Letzte Ölung versagt geblieben oder ihnen im Leben so Entsetzliches widerfahren war, dass ihre Seelen keinen Frieden erlangen können, sagte er nur: »Nein, Joanna, wenn die Menschen sterben, sind und bleiben sie tot.«
    Aber ich war selbst von diesen Stimmen und Bildern heimgesucht worden; zweimal. Und ich war nicht verrückt.
    Als ich an ihrem Türdiener vorbei in Gertrudes eleganten Empfangssalon trat, bemerkte ich, dass sie nicht allein war. Constance war anderswo beschäftigt, doch auf üppigen Sitzkissen saßen zwei vielleicht dreizehnjährige Mädchen, die guten Familien aus dem weiteren Bekanntenkreis der Courtenays angehörten, über ihren Stickarbeiten. Sie dienten ihr wie kleine Hofdamen, während sie in die Feinheiten höfischer Lebensart eingeführt wurden.
    Gertrude selbst ruhte, den Kopf an die Lehne zurückgeneigt, in den Polstern ihres bevorzugten Sessels. Ihre smaragdgrünen Röcke bauschten sich um die zierliche Taille. Ihre Hände, deren Haut frischer und samtiger war als die ihres Gesichts und ihres Halses, lagen locker auf den Armstützen. Ihr schräg gegenüber saß ein Mann mit glatt rasiertem Gesicht; er mochte zwischen dreißig und vierzig Jahre alt sein. Er trug, obwohl offensichtlich kein Geistlicher, eine wallende schwarze Robe, und seinen Kopf bedeckte eine runde Kappe, die unter dem Kinn gebunden war. Zu seinen Füßen stand ein großer Beutel, so vollgestopft mit irgendwelchen langen, kantigen Gegenständen, dass die grobe Leinwand über ihnen spannte.
    »Es ist mir unverständlich, wie Ihr wissen konntet, wozu sie fähig ist – dieses unscheinbare kleine Ding, das sie so lange gewesen ist«, sagte der Mann.
    Den Blick zur Zimmerdecke gerichtet, antwortete Gertrude: »Nun, ich habe eben ihre geheime Sehnsucht gespürt. Jeder hatso eine geheime Sehnsucht, auch wenn er sie selbst nicht ganz versteht.«
    Begierig beugte der Mann sich vor. »Und was war das für eine Sehnsucht?«
    »Der Herrschaft ihrer fürchterlichen Familie zu entkommen.« Gertrude schauderte ein wenig. »Dies war ihre Art, nicht nur die rohe Gewalt der Männer ihres Clans abzuschütteln, sondern auch die Oberhand über sie zu gewinnen.«
    Sie konnten unmöglich von mir sprechen. Und doch machte etwas an Gertrudes Worten – mit so viel kluger Distanz vorgetragen – mich stutzen. Ich räusperte mich.
    Gertrude hob hastig den Kopf, und ihr Gesicht nahm augenblicklich jenen Ausdruck an, dem ich stets begegnete, wenn ich ihr gegenübertrat: warm und herzlich mit einer kleinen Beimischung von Triumph.
    Der Mann sprang auf.
    »Ist sie das?«, hauchte er beinahe. »Ist das Miss Joanna Stafford?«
    Er musterte mich von Kopf bis Fuß. Innerlich war ich wütend auf Geoffrey Scovill. Ich hatte es vorher nie bemerkt, aber jetzt hörte ich jedes Mal, wenn ein Mann mich mit diesem berechnend gierigen Blick betrachtete, Geoffreys Worte: »Welche Wirkung Ihr auf Männer ausübt. Wie sie auf Euch ansprechen, wie sie Euch ansehen … bei Eurem Anblick kann man schon den Kopf verlieren.«
    Der Fremde küsste mir die Hand. Ich spürte sein feistes Fleisch, seine feuchten Lippen auf meiner Haut. Einen bizarren Moment lang fühlte ich mich an den sabbernden Mund des Riesen erinnert, der mir im Rittersaal erschienen war. Es bedurfte meiner ganzen Selbstbeherrschung, dem Mann nicht meine Hand zu entreißen.
    »Welcher Liebreiz«, sagte der Fremde. Er ließ meine Hand los und wandte sich Gertrude zu. »Ich entdecke da eine Ähnlichkeit, Marquise.«
    »Miss Stafford ist die Verwandte meines Gemahls«, belehrte sie ihn, »nicht meine. Aber unsere Mütter waren beide Spanierinnen. Das erklärt vielleicht gewisse Gemeinsamkeiten.«
    Mit einer höfischen Verneigung erwiderte er: »Fürwahr, zwei strahlende Gestirne, Marquise.«
    Ich wand mich innerlich und wünschte mich weit fort.
    Gertrude richtete sich in ihrem Sessel auf und legte dabei den Kopf leicht schräg, eine Angewohnheit von ihr, die ich schon kannte. Sie schickte diese Geste meist

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