Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
behandelt hat als einen Hund.«
Eine Erinnerung regte sich. Wenige Tage vor seinem Tod hatte mein Vater mir eine unfassbar schmutzige Geschichte über Norfolk erzählt. In der Zeit von Königin Annes Schwangerschaft war der König meiner schönen Cousine Margaret begegnet und hatte, von Lust entbrannt, die Tochter des Mannes, den er einst hinrichten ließ, zu seiner Mätresse machen wollen. Er beauftragte Norfolk, sie zu ihm zu bringen, und Norfolk hatte tatsächlich versucht, sie zur Einwilligung zu zwingen, weil er meinte, als Mätresse des Königs könnte seine Schwägerin ihm von Nutzen sein. Als Margaret geflohen war, hatte mein Vater sie in seinem Haus versteckt gehalten, bis sie in den Norden zurückreisen konnte.
Möglich, dass der Herzog seine Nichte Anne Boleyn am Ende verabscheute, doch ich vermutete, dass er anfangs auch bei dieser Liebschaft den Kuppler gespielt hatte. Anscheinend waren mir meine Zweifel anzusehen, denn Surrey verdoppelte seine Bemühungen, mich von der Ehrenhaftigkeit seines Vaters zu überzeugen.
»Warum ist es Euch so wichtig, was ich denke?«, fragte ich müde.
»Ich möchte, dass Ihr die Wahrheit kennt – alle sollen die Wahrheit erfahren.« Er wurde plötzlich kreidebleich, drückte beide Hände auf den Mund und stolperte in den Korridor hinaus.Ich hörte ihn husten und würgen. Elizabeth, die draußen auf ihn gewartet hatte, redete beruhigend auf ihn ein.
»Ach, Mutter«, jammerte Surrey und begann zu weinen. Seine kindlichen Klagen schallten durch den Korridor und wurden allmählich leiser, als er sich in sein Zimmer zurückzog. Das unglückliche Haus versank wieder in Schweigen.
Kapitel 26
Ich hielt das Versprechen, das ich Elizabeth gegeben hatte, und lehrte Catherine Howard die Fertigkeiten, die sie bei Hof brauchen würde. Ich half bei den Vorbereitungen für das Weihnachtsfest und bei der Planung des Festmahls, für das Braten, Gebäck und süße Leckereien zubereitet werden mussten.
Doch meine Sehnsucht nach meinen Dartforder Freunden war so groß wie nie zuvor. In diesem Haus gab es niemanden, der mir Bruder Edmund oder Schwester Winifred, beide so uneigennützig und von Herzen fromm, hätte ersetzen können. Auch weilte ich in Gedanken oft bei Geoffrey. Manchmal sah ich ihn, wenn ich mich nachts schlaflos in meinem Bett wälzte, aus dem Schatten des Alkovens im Haus der Courtenays treten. Dann nahm er mich so fest in seine Arme, dass der raue Silberlamé meines Kleides brennend auf meiner Haut rieb. Doch wenn ich mich morgens beim Erwachen meiner Schwäche erinnerte, überkam mich stets eine tiefe Scham. Für Geoffrey Scovill wäre es das Beste, nie wieder etwas mit mir zu schaffen zu haben. Er hatte durch mich selten Freude erlebt, und wenn wir in Zukunft aufeinandertreffen sollten, konnte ihm das den Tod bringen.
Die Sorge um Arthur quälte mich Tag und Nacht. Mein Vater hatte ihn meiner Obhut anvertraut – und wie kläglich hatte ich versagt. Wer kümmerte sich jetzt um ihn? Wie erging es ihm?Norfolks grausames Verbot, Arthur zu mir zu holen oder wenigstens mit jenen, die ihn betreuten, Verbindung aufzunehmen, erfüllte mich mit tiefer Verzweiflung. Ich vermutete, dass Schuldgefühle wegen Margarets Tod hinter seiner Haltung steckten. Meine Cousine Elizabeth sorgte sich beinahe so sehr um Arthur wie ich, das wusste ich. Doch sie konnte nichts tun – sie befand sich selbst in einer äußerst heiklen Lage. Eines Abends, nach einem Streit mit dem Herzog, weinte sie sich in meinen Armen aus.
»Worum ging es denn bei dem Streit?«, fragte ich.
»Er will unsere Tochter Mary mit Thomas Seymour verheiraten, einem sittenlosen Rüpel und Verschwender. Ich weiß, dass Mary Seymour verabscheut und habe versucht, sie zu verteidigen. Sie hat sich geweigert, diesen Mann zu heiraten, und bleibt London fern. Oh, wie er mich beschimpft hat.«
Als ich Elizabeth trösten wollte, merkte ich bald, dass ich dieser Aufgabe nicht gewachsen war. Zwar versuchte ich zu tun, was Margaret getan hätte, ich leistete ihr Zuspruch, legte ihr beruhigende Kompressen auf, bürstete ihr das Haar und betete mit ihr zusammen, doch ich war selbst so gedrückter Stimmung, dass es mir nicht gelang, sie aufzuheitern. Hinzu kam, dass zwischen uns eine ständige Spannung bestand, weil sie es ablehnte, mich bei meinen Plänen einer Heimkehr nach Dartford, zu unterstützen. »Quäle mich jetzt nicht damit«, wehrte sie jedes Mal ab, wenn ich davon anfing.
Catherine Howard war die Einzige, die meine
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