Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Dominikaner Thomas von Aquin gesagt: ›Nichts auf Erden ist höher zu preisen als wahre Freundschaft‹?«
»Ja«, sagte ich. »O ja.« Ich drehte mich nach Catherine um. »Danke Euch.«
Sie berichtete, dass sie Bruder Edmund am Morgen von ihrem Fenster aus den Weg hatte heraufkommen sehen. Er war ihr, genau wie ich, von dem Fest im vergangenen Jahr bekannt; sie hatte uns beide damals angesprochen, bevor wir unsere Masken anlegten. Als sie ihn bemerkte, war sie hinausgelaufen, um zu erfahren, was ihn hierherführte. Ein paar Worte reichten, um sie davon zu überzeugen, dass es das Beste war, ihn ins Haus zu bringen und dort zu verstecken, bis sie mich holen konnte.
»Wie geht es Arthur?«, fragte ich.
»Es geht ihm gut, Schwester Joanna, macht Euch keine Sorgen. Er lebt bei mir und Schwester Winifred.« In allen Einzelheiten berichtete er mir von Arthurs Ankunft und seinem täglichen Tun und Treiben. »Natürlich vermisst Arthur Euch, genau wie ich Euch vermisse.« Hastig fügte er hinzu: »Und natürlich Schwester Winifred und Schwester Beatrice und alle anderen – Schwester Eleanor und Agatha und Rachel. Wir alle vermissen Euch.«
»Woher wusstet Ihr, dass ich hier bin?«, fragte ich.
Als Geoffrey Scovill Arthur nach Dartford gebracht hatte, hatte er Bruder Edmund von den Verhaftungen berichtet und auch, dass der Graf von Norfolk Lord Dudley gezwungen hatte, mich in seine Obhut zu übergeben. »Mr Scovill sagte, er wissezwar nicht, wohin man Euch gebracht habe, doch Ihr würdet im rechten Moment mit ihm Verbindung aufnehmen. Er riet abzuwarten.«
Geoffrey hatte ihm offensichtlich nichts von Norfolks Drohung gesagt, ihn hängen zu lassen, sollte er sich noch einmal in meine Nähe wagen.
Catherine sagte: »Aber Ihr habt nicht abgewartet.«
»Nein«, antwortete Bruder Edmund. Seine Wangen röteten sich leicht. »Mir fiel sofort dieses Haus ein, das ich ja von unserem gemeinsamen Besuch her kannte, Schwester Joanna. Deshalb beschloss ich, als Erstes hierher zu reisen.«
Catherine hatte Bruder Edmund bereits von Norfolks Plänen für mich unterrichtet.
»Ich werde mit dem Herzog sprechen, sobald er zurückkommt, und dafür eintreten, dass er Euch mit mir nach Dartford reisen lässt«, sagte Bruder Edmund.
Catherine und ich tauschten einen entsetzten Blick.
»Der Herzog wird nicht auf Euch hören, Bruder Edmund«, entgegnete ich. »Ich danke Euch, dass Ihr mir helfen wollt, aber Ihr werdet Euch nur seinen Zorn zuziehen.«
Bruder Edmund schwieg, den Blick aus dem Fenster gerichtet. Seine Mundwinkel zogen sich ein wenig abwärts – ich kannte dieses Mienenspiel. Mit seinem von den Dominikanern geschulten Verstand unterzog er das Problem einer scharfen Prüfung.
»Ich wüsste nicht, woher der Herzog von Norfolk die Autorität nimmt, über Euch zu bestimmen«, sagte er nach einer kleinen Weile. »Er ist weder Euer Vater noch Euer Bruder oder Ehemann. Die Tatsache, dass er mit Eurer Cousine Elizabeth verheiratet ist, verleiht ihm nicht das Recht, darüber zu entscheiden, wo Ihr zu leben habt. Es wäre etwas anderes, wenn Euch ein Verbrechen vorgeworfen würde und ihm gesetzliche Vollmacht erteilt worden wäre. Aber das ist nicht der Fall. Ihr habt lediglich den Wunsch, ein Leben zu führen, das ihm nicht gefällt.«
»Das klingt ja alles sehr vernünftig«, meinte ich, »aber er braucht nur einen Befehl zu erteilen, und alle gehorchen ihm.«
»Ja, hier in diesem Haus. Deshalb, finde ich, sollten wir die Angelegenheit seinem Einflussbereich entziehen und in London rechtlichen Beistand suchen«, erklärte Bruder Edmund.
Ich sah ihn entgeistert an. Es war lachhaft zu glauben, ein Advokat könnte etwas gegen einen Angehörigen des Hochadels ausrichten, noch dazu einen, der Armeen befehligte.
»Ich sehe, Ihr seid skeptisch«, sagte Bruder Edmund. »Aber Ihr solltet die Möglichkeit einer rechtlichen Lösung nicht ausschließen. In den letzten zwanzig Jahren sind Rechtsbeistände zu einer Kraft geworden, mit der man rechnen muss. Hat nicht der König selbst auf das Recht des Landes zurückgegriffen, als der Papst ihm die Scheidung verweigerte?«
»Die beiden Fälle sind wohl kaum vergleichbar«, entgegnete ich. »Aber ich gebe zu, es ist ein Plan, und wahrscheinlich der einzige, der funktionieren könnte.«
Catherine wollte unbedingt helfen. Sie und ich würden unter dem Vorwand, einen Spaziergang machen zu wollen, gemeinsam das Haus verlassen. Bruder Edmund wollte uns an der Straße erwarten, und von dort
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