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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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älter und hatte als älteste Tochter des Herzogs von Buckingham unter den Frauen der Familie Stafford stets den Ton angegeben, während ich in der Hierarchie ganz unten gestanden hatte. Ihre jüngere Halbschwester jedoch, Margaret, war mir die innigste Freundin meiner Kindheit gewesen. Nach der Hinrichtung des Herzogs von Buckingham war Margaret in das Haus ihrer unglücklichen Halbschwester übergesiedelt. Ich sah die beiden bei Besuchen, und Margaret schrieb mir regelmäßig. Ich kannte also Elizabeths Launen recht gut.
    Vor dem Salon schon konnte ich ihre scharfe Stimme hören. »Muss ich denn alles zweimal sagen?«, fragte sie gereizt. »Kannst du dir nicht einmal das Einfachste merken?«
    Ich schlüpfte ins Zimmer.
    Elizabeth stand mit verschränkten Armen und strengem Gesicht vor einem Tisch, auf dem verschiedene Dinge verteilt waren: Zinnteller, Becher, Schälchen mit Salz. Und ein großes Messer. Eine merkwürdige Zusammenstellung, doch sehr vertraut.
    Auf der anderen Seite des Tisches stand zitternd ein Mädchen von vielleicht sechzehn Jahren, klein und ein wenig rundlich, mit langem kastanienbraunem Haar. Sie war nicht die Tochter der Herzogin. Ich war diesem Mädchen schon einmal begegnet, auf einem Maskenball, den Elizabeths ältester Sohn, der Graf von Surrey, hier in diesem Haus veranstaltet hatte. Sie hieß Catherine Howard und war eine der vielen Nichten des Herzogs von Norfolk. Ich hatte sie als ein kicherndes junges Ding in Erinnerung, mit einem hübschen Gesicht und tiefen Grübchen in den Wangen. Von den Grübchen war jetzt nichts zu sehen. Catherine schien in Unschlüssigkeit erstarrt, eine Hand zitternd über dem Messer.
    »Du musst dich dreimal niederwerfen, bevor du es berührst«, erklärte Elizabeth.
    »Das Messer – oder das Salz?«, fragte sie leise.
    Elizabeth warf verzweifelt die Hände in die Luft. »Siehst du, womit ich mich hier abplagen muss, Joanna?«, rief sie, als sie mich sah. »Mein Gemahl hat befohlen, sie auf den Dienst bei Hof vorzubereiten. Nach dem Willen der Howards soll sie Ehrendame werden. Sie ist die Einzige, die das richtige Alter hat und hübsch genug ist. Aber sie ist unfähig. Sie kann nichts weiter als die Laute spielen und tanzen. Die Howards haben sie nichts Ernsthaftes gelehrt – sie kann kaum lesen –, und nun erwarten sie von ihr, dass sie eine Königin bedient, die vielleicht in Paris oder Brüssel erzogen ist. Absurd .«
    Rot vor Scham blickte Catherine zaghaft zu mir herüber. In ihren Augen blitzte es auf – auch sie erinnerte sich an unsere Begegnung.
    Ich trat an den Tisch. »Ihr knickst so tief wie möglich vor dem Messer«, erklärte ich. »Ihr reibt den Teller mit etwas Salz ein. Dann gebt Ihr ein kleines Häufchen Salz auf das Messer.«
    »Ich danke Euch von Herzen für Eure gütige Hilfe«, sagte das Mädchen, und mit ihrem Lächeln kehrten auch die hübschen Grübchen wieder. »Woher wisst Ihr das alles?«
    »Das hat meine Mutter mich gelehrt. So wird das Abendessen im Audienzzimmer der Königin vorbereitet.«
    Elizabeth sagte beifällig: »Joannas Mutter wurde in Spanien erzogen. Dort werden an Hofdamen die höchsten Anforderungen gestellt. Wir haben beide der Königin gedient; ich war sechzehn Jahre lang Hofdame bei Katharina von Aragón.«
    »Durchlaucht«, sagte Catherine schüchtern, »es wäre vielleicht eine Hilfe, wenn ich verstehen könnte, was das alles zu bedeuten hat. Warum müssen die Teller mit Salz abgerieben werden?«
    »Das hat mit möglichen Giftanschlägen zu tun«, antwortete Elizabeth.
    Catherines Augen flammten auf vor Interesse. »Hat schon einmal jemand versucht, eine Königin von England zu vergiften?«
    »Meines Wissens nicht«, bekannte Elizabeth. »Aber die Zeiten der Borgias und ihrer Giftmischer sind noch nicht so lange vorbei.«
    »Wer sind die Borgias?«, fragte Catherine.
    Elizabeth stöhnte. Wieder kam ich der Kleinen zu Hilfe und versuchte zu erklären. Es fiel mir nicht leicht, über die verbrecherischen Machenschaften der Borgias zu sprechen. Es gab Leute, die behaupteten, die Borgias hätten mit dazu beigetragen, dass sich der Feuersturm der Ketzerei entzündete, der jetzt die ganze Christenheit zu verschlingen drohte.
    Als ich geendet hatte, trat Elizabeth zu einem Hocker an der Wand, auf dem eine Handarbeit lag. Sie winkte mir damit. »Das ist alles, was Catherine zustande bringt.«
    Selbst auf mehrere Schritte Entfernung konnte ich erkennen, wie kläglich die Arbeit war. Ich warf einen Blick zu

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