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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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Hausflurs an unsere Beine. »Bitte warten Sie hier.«
    Sie geht eine einfache Holzstiege hinauf und wir bleiben schweigend zurück. Die Stille wird nur durchbrochen vom Ticken einer unsichtbaren Uhr hinter der Tür zum Wohnzimmer. Das Verlangen, diesem Ort zu entfliehen, senkt sich schwer auf meine Brust. Mir wird bewusst, dass wir uns in einem gänzlich fremden Haus befinden und uns dort oben Gott weiß wer erwartet. Keine Menschenseele ahnt, dass wir hier sind.
    »Was tun wir hier, Alice? Was ist das für ein Haus?«
    Alice lächelt. Es ist ein kaltes und hartes Lächeln. Ich erkenne darin das Vergnügen, Kenntnis über Dinge zu haben, von denen andere nichts ahnen. »Wir sind hier, weil wir die Dienste eines Mediums in Anspruch nehmen wollen, Lia. Jemand, der mit den Toten sprechen und die Zukunft voraussagen kann.«
    Mir bleibt keine Zeit, mich zu fragen, warum Alice wissen will, was die Zukunft bringen mag. Aus dem Raum über uns erklingen Stimmen und wir schauen einander in dem engen Vestibül an. Unsere Brauen heben sich fragend, als über uns die Dielenbretter durch schwere Schritte erschüttert werden.
    Die Frau späht die Stufen hinunter und winkt uns hinauf. »Bitte kommen Sie.«
    Alice schiebt sich nach vorne. Victoria und Luisa folgen ihr, ohne zu zögern, die Treppe hinauf. Erst als Luisa auf
der dritten Stufe steht und sich nach mir umdreht, merke ich, dass ich mich nicht gerührt habe.
    »Komm schon, Lia. Das wird ein Spaß.«
    Ich schlucke meine aufkeimende Furcht hinunter und lächle als Antwort. Langsam gehe ich hinter ihr die enge Stiege hinauf und dann auf dem Treppenabsatz rechts durch eine Tür.
    Der Raum ist dunkel. Die schweren Vorhänge vor den Fenstern sind zugezogen, sodass nur der leiseste Anflug von Licht zwischen Stoff und Fensterrahmen hindurchlugt. Aber das Mädchen, das am Tisch sitzt, ist in Licht gebadet, umgeben von Kerzen, deren Schein auf ihrer cremefarbenen Haut golden flackert. Ihr Haar glänzt in dem mageren Schimmer, der durch die Vorhänge fällt, und obwohl der Raum von Schatten erfüllt ist, ist ihr Gesicht klar und deutlich zu erkennen. Ich stehe noch im Türrahmen, einige Meter von ihr entfernt, und doch bin ich mir sicher, dass ihre Augen blau sind.
    »Miss Sorrensen leidet unter der kühlen Witterung.« Die Frau, die uns heraufgewinkt hat, wirft dem Mädchen am Tisch einen anklagenden Blick zu. »Sie müssen sich mit einer kurzen Sitzung begnügen.«
    »Danke, Mrs Millburn.« Im Vergleich zu der Stimme der Frau ist die des Mädchens nur ein Murmeln. Die Frau geht und zieht wortlos die Tür hinter sich zu.
    »Bitte setzen Sie sich.«
    Alice und Victoria gehen vorsichtig auf den Tisch zu und nehmen auf den Stühlen dem Mädchen gegenüber Platz.
Ich andererseits fühle mich derart zu ihr hingezogen, dass ich mich rechts von ihr niederlasse. Luisa setzt sich neben mich und schließt damit den Kreis.
    »Danke, dass Sie gekommen sind. Mein Name ist Sonia Sorrensen. Sie möchten also einer Sitzung beiwohnen?«
    Wir senken die Köpfe, unsicher, was wir sagen sollen. Keine Lektion in Wycliffe - schon gar keine in gutem Benehmen - hat uns auf ein derart unerhörtes Unterfangen vorbereitet.
    Sie schaut uns in die Augen, einer nach der anderen. »Gibt es jemanden, mit dem Sie gerne in Kontakt treten möchten? Eine Botschaft, die Sie zu erhalten hoffen?«
    Nur Victoria findet den Mut, etwas zu sagen. »Wir möchten wissen, was Sie über die Zukunft zu sagen haben. Über unsere Zukunft.« Ihre Stimme klingt unglaublich jung, und ich will mir ihre zitternden Worte einprägen, damit ich sie parat habe, wenn sie das nächste Mal in Wycliffe eine abfällige Bemerkung macht.
    »Schön …« Sonia schaut wieder jede Einzelne von uns an, ehe ihre Augen zunächst auf Alice ruhen bleiben. Dann auf mir. »Vielleicht habe ich eine Botschaft für Sie .«
    Alices Augen finden meine in der Dunkelheit. Einen Moment lang glaube ich, sie voll kalter Wut aufblitzen zu sehen, aber rasch wische ich den Eindruck beiseite. Ich kann nicht mehr klar denken. Der verbotene Ausflug, der abgedunkelte Raum, das Mädchen im Kerzenlicht - all das hat mich der Wirklichkeit entfremdet. Ich hole tief Atem.

    »Wir wollen uns an den Händen nehmen.« Sonia streckt ihre Hände nach beiden Seiten aus. Reihum umschließen sich die Finger, bis nur noch ich übrig bleibe und meine Hand mit Sonias verschränken muss, um den Kreis zu schließen. Als ich die Hand ausstrecke und dabei sorgfältig darauf achte, nicht mein

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