Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
Vom Netzwerk:
Stimme reißt mich aus meiner Grübelei. »Ich habe etwas fallen gelassen.«
    »Was denn?« Sie betrachtet mich von ihrem gepolsterten Sitz neben dem Fenster aus, als ich einsteige.
    »Meinen Kamm. Den mir Vater aus Afrika mitgebracht hat.«
    Sie nickt und dreht sich dann um, starrt aus dem Fenster, während Edmund die Tür schließt und uns in gedämpftes Schweigen sperrt.
    Ich umklammere immer noch den Kamm, aber als ich meine Hand öffne, ist es nicht der Haarschmuck aus Elfenbein, der meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, sondern ein Stück schwarzer Samt, das daranhängt. Etwas Kaltes und Flaches liegt innerhalb des Samts auf meiner Handfläche, aber ich wage es nicht, es in Alices Anwesenheit auszuwickeln.
    Die Zähne des Kamms beißen in das weiche Fleisch meiner Handflächen, und da erinnere ich mich. Ich greife mir an den Hinterkopf und denke an die Eile, mit der ich mich heute Morgen angezogen habe. Ich hatte nicht einmal
Zeit für eine Tasse Kaffee, und in meiner Hast habe ich es kaum geschafft, mir die Haare festzustecken.
    Ich habe Haarnadeln benutzt - den Kamm habe ich in der Eile ganz vergessen. Ich kann ihn vor mir sehen, wie er noch vor wenigen Stunden auf meiner Frisierkommode lag, als ich aus dem Raum lief. Wie er aus meinem Zimmer in Birchwood in die Stadt und dort in die Hände des kleinen Mädchens gelangen konnte, ist ein neuerliches Rätsel, das ich im Augenblick beim besten Willen nicht zu lösen vermag.
     
    Im Schutz meines Zimmers ziehe ich mit zitternden Fingern den Kamm hervor und betrachte ihn, als ob er sich in den Stunden, die er in Gegenwart des schwarzen Samts verbracht hat, verändert hätte.
    Aber nein. Er ist noch derselbe.
    Derselbe Kamm, den mir Vater aus Afrika mitbrachte, derselbe Kamm, den ich seitdem fast täglich im Haar trage, und derselbe Kamm, den mir das Mädchen auf der Straße überreichte. Ich lege ihn beiseite. Was immer für Antworten ich suche, in seinem sanften Schimmer werde ich sie jedenfalls nicht finden.
    Wieder greife ich in die Tasche und taste mit meinen Fingern nach dem Samtstoff. Ich fühle ihn, und auch den Gegenstand, der in der Kutsche schwer auf meiner Hand lag. Ich schlage das Samttuch auf - es ist ein Band, das sich wie eine kleine dunkle Schlange auf meinem weißen Nachthemd windet.

    Vor mir auf meinem Schoß liegt ein Halsband, jedenfalls glaube ich, dass es das ist. Der schwarze Samt umfasst in seiner Mitte ein kleines Medaillon aus Metall. Als ich es um meinen Hals legen will, merke ich, dass es nicht lang genug ist. Meine Augen werden von dem Anhänger angezogen, der an dem Samt baumelt. Er ist nicht verziert, ist nichts weiter als eine einfache, leicht trübe Goldscheibe. Ich reibe mit zwei Fingern über die kühle Oberfläche der beiden Seiten und fühle Erhebungen auf der Rückseite. Ich drehe den Anhänger um und erkenne dunkle Linien auf der goldenen Fläche der Scheibe. Das Dämmerlicht in meinem Zimmer zwingt mich dazu, mich vorzubeugen, und langsam formen die Linien vor meinen Augen ein Muster.
    Mit der Fingerspitze gleite ich über die Kanten des Musters auf der Scheibe, als ob ich auf diese Weise das Bild vor meinen Augen sehen könnte. Mein Finger rutscht in die Rille, die einen Kreis formt - das Gegenstück zu den Erhebungen auf meinem Handgelenk.
    Beide Zeichen sind fast identisch. Der einzige Unterschied ist der Buchstabe C in der Mitte des Anhängers. Ich drehe mein Handgelenk um und schaue von dem kalten Kreis in meiner Hand zu dem Zeichen auf meiner Haut. Da - da ist etwas, herbeigelockt durch das Medaillon in meiner Hand. Der verschwommene Fleck innerhalb des Kreises auf meinem Handgelenk scheint klarer zu werden, wird mit jeder Sekunde deutlicher, bis ich mit Gewissheit sagen kann, dass sich der bislang undeutliche
Schemen in dem Kreis ebenfalls in den Buchstaben C verwandeln wird.
    Und jetzt weiß ich es.
    Ich bin mir nicht sicher, warum, aber ich weiß, wofür das Samtband da ist, wo es hingehört. Ich schlinge es um mein Handgelenk, und es passt perfekt, und als ich den Verschluss zuklappe, schmiegt sich das schwarze Band eng und faltenlos an meine Haut. Das Medaillon liegt auf dem Kreis auf der Innenseite meines Handgelenks. Ich kann fast spüren, wie sich die Erhebungen auf meiner Haut in den eingravierten Kreis auf der Goldscheibe einfügen. Eine Welle von erschreckter Vertrautheit durchzuckt mich.
    Das ist es, was mich am meisten entsetzt - die Art, wie mein Körper auf das Medaillon reagiert, als würde er einem Ruf

Weitere Kostenlose Bücher