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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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Prophezeiung, bleibe wieder nach den Zeilen über den Wächter und das Tor hängen, jenen Worten, die ich nun begreife.
    Wieder und wieder lese ich den Text durch, aber es nutzt nichts. Ich kann den Sinn nicht ergründen, sosehr ich es auch versuche. Die Notizen, die sich James über die Übersetzung machte, liegen auf meinem Schreibtisch verstreut, völlig ungeordnet, weil ich sie immer und immer wieder hin und her geschoben habe. Jetzt lege ich sie ordentlich nebeneinander, wenn auch nur, um meinen Händen etwas zu tun zu geben. Dann stütze ich die Ellbogen auf die Tischplatte und lege meine Stirn auf meine Fingerspitzen. Mich überkommt das bizarre Verlangen, hinaus auf die Felder zu rennen und laut zu schreien, meiner Frustration und meiner Wut angesichts meines Unvermögens Luft zu machen.
    Ich greife nach der Rückseite des Buchs, will es zuklappen und mich dann ohne Gegenwehr den Träumen überlassen,
die auf mich warten, als ich merke, dass sich eine Ecke des rückseitigen Vorsatzblattes gelöst hat. Ich streiche es glatt. Ich werde das Vorsatzpapier wieder ankleben müssen, damit sich das Buch nicht noch weiter auflöst.
    Aber die Ecke will sich nicht glätten lassen. Je mehr ich drücke, desto mehr löst sie sich, als ob etwas von der anderen Seite aus gegen meine Hand drücken würde, entschlossen, das Papier von seinem Platz wegzuschieben. Etwas stimmt nicht.
    Ich fahre mit dem Handballen über die Innenseite des hinteren Einbands und merke: Da ist etwas. Etwas, dass dort nicht hingehört. Ich verschwende keinen weiteren Gedanken, obwohl mein Vater, wäre er noch am Leben, mich auf ewig aus der Bibliothek verbannen würde, wenn ich bei einem so uralten Buch wie diesem das Vorsatzpapier abreißen würde. Ich ziehe so vorsichtig wie möglich und bin überrascht, wie leicht sich das Papier vom Einband des Buches lösen lässt. Noch mehr aber überrascht mich das, was ich dort entdecke, was - fein säuberlich zusammengefaltet - dort die ganze Zeit auf mich gewartet hat.
    Ich ziehe ein viereckiges Stück Papier hervor und falte es behutsam auseinander. Das Päckchen besteht aus mehreren Blättern. Aber das Papier ist ungewöhnlich. Es sind nicht diese dicken, eleganten Bögen, die für förmliche Einladungen und Ähnliches verwendet werden. Dieses Papier ist so dünn wie eine Zwiebelhaut, so dünn wie die Seiten der Bibel. Als die einzelnen Blätter endlich flach vor mir liegen, stockt mir der Atem.

    Das erste Bild zeigt eine Schlange, die ihren eigenen Schwanz verschlingt. Darunter steht das Wort Jormungand .
    Auf dem nächsten Blatt prangt eine Zeichnung, die mit Die verlorenen Seelen betitelt ist, eine Armee von Dämonen auf weißen Pferden, die blutgetränkten Schwerter hoch über den Köpfen erhoben. Dieses Bild ängstigt mich, aber nicht so sehr wie das, das darunter liegt - eine Schlange, die einen Kreis bildet und ihren eigenen Schwanz frisst. Und in der Mitte der Buchstabe C.
    Langsam ziehe ich es von dem Stapel, wobei mir seine Gänze Stück für Stück enthüllt wird, während es unter den anderen hauchdünnen Seiten hervorgleitet. Als es endlich vor mir liegt, kann ich es nur mit wild klopfendem Herzen anstarren.
    Es gibt keinen Zweifel. Es ist das gleiche Zeichen wie auf meinem Handgelenk. In der Mitte hängt die goldene Scheibe, um die sich das Samtband schlängelt. Es derart lebensecht vor mir zu sehen, erfüllt mich nicht so sehr mit Furcht - wie man es hätte erwarten können -, sondern mit einem Verlangen, das mich noch viel mehr erschreckt.
    Doch es sind die Worte unter dem Bild, die mir die Haare zu Berge stehen lassen.
    Medaillon des Chaos, Zeichen des einzig wahren Tors.

12
     
     
     
     
    F assungslos schaue ich mich in meinem Zimmer um,wieder auf mein Handgelenk, dann auf das Bild des Medaillons, das neben dem Buch liegt. Das Zeichen ist dasselbe.
    Dasselbe. Dasselbe. Dasselbe.
    Medaillon des Chaos, Zeichen des einzig wahren Tors.
    Das kann nicht sein. Der Verstand verweigert dieser Vorstellung den Eintritt. Alice ist das Tor. Ich weiß es. Sie muss es sein.
    Aber tief in meinem Inneren glimmt ein Gefühl, das die Wahrheit erkennt und sie sogar willkommen heißt. Ein fremdes Verlangen schlägt in meiner Brust, antwortet auf den stummen Ruf des Medaillons, auf die Seelen, die auf den Rücken der Dämonenpferde sitzen. Es ist tröstlich und entsetzlich zugleich.
    Ich kann es nicht leugnen.
    Das Medaillon ist das Zeichen des Tors. Des einzig wahren Tors , denke ich, obwohl sich mir die

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