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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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Berrier denkt nach. »Nun, es wird tatsächlich behauptet, dass der Engel das Tor auf ewig schließen kann, aber ich selbst wurde nie in die Prophezeiung eingeweiht. Nur wenige haben den uralten Text je zu Gesicht bekommen, und diese Wenigen sind ganz sicher auf die eine oder andere Art mit der Prophezeiung verbunden.«
    Sonia hebt die Augenbrauen. »Wir haben den Text gesehen, Madame. Und dort werden Schlüssel erwähnt und noch etwas, etwas, das mir irgendwie bekannt vorkommt, das ich aber nicht einordnen kann. Es heißt Samhain.«
    Madame Berrier schürzt die Lippen. Ich merke, wie sie angestrengt nachdenkt. Dann fragt sie: »Wie wird Samhain mit den Schlüsseln in Verbindung gebracht?«
    Sonia befeuchtet sich die Lippen mit der Zunge und versucht, sich zu erinnern. »Irgendetwas über die erste Stunde … die …«
    »Erschaffen in dem ersten Atemzug von Samhain.« Ich verschränke meinen Blick mit Madame Berriers Augen. » Vier Zeichen. Vier Schlüssel. Ein Kreis aus Feuer. Erschaffen in dem ersten Atemzug von Samhain. «

    Sie klopft mit den Fingern auf den Tisch und sagt dann langsam: »Lassen Sie uns einen Spaziergang machen. Ich glaube, ich weiß, wo wir einige der Antworten finden, die Sie suchen.«
     
    In den Straßen drängen sich die Menschen. Pferde traben vorbei, und die Kutschen, die sie ziehen, rattern über die staubigen Fahrgassen. Edmund, stets wachsam, folgt uns wortlos.
    Wir gehen eine ganze Zeit lang. Ich wundere mich, welche unausgesprochene Autorität Madame Berrier anhaftet, die uns ihr willig folgen lässt, ohne dass wir uns auch nur ein einziges Mal nach unserem Ziel erkundigen. Sie tritt so bestimmt auf, ihr Gang ist so entschlossen, dass es fast einer Kränkung gleichkäme, sie zu fragen. Und so folgen wir ihr einfach und versuchen, mit ihren raschen Schritten mitzukommen.
    Nachdem wir die Schneiderei hinter uns gelassen haben, die Putzmacherin, den Süßwarenladen und eine ganze Reihe von Tavernen, biegt Madame Berrier um die Ecke in eine ruhigere Gasse. Schmale Häuser säumen die Straße wie düstere Wachen. Sie sind nicht so prächtig wie die Gebäude auf der Hauptstraße, aber geschmackvoll und gut gepflegt, so ähnlich wie Madame Berrier selbst. Wir nähern uns einem Haus, das aussieht wie die anderen. Das Schild am Eingang informiert uns darüber, dass wir uns vor der Stadtbibliothek befinden.
    »Das Wort, das Sie erwähnten, glaube ich zu kennen«,
sagt Madame Berrier und schaut zu Sonia. »Aber bei so vielen Übersetzungs- und Aussprachevarianten ist es besser, sicherzugehen, besonders wenn es sich um etwas so Wichtiges handelt, nicht wahr?« Sie wartet nicht auf eine Antwort, sondern marschiert entschlossen die Eingangsstufen hinauf und öffnet schwungvoll die Tür.
    Wir betreten eine höhlenartige Eingangshalle mit einem Marmorboden. Die Bibliothek liegt still und verlassen vor uns. Auf dem Weg quer durch die Halle begegnet uns keine Menschenseele. In der Leere liegt mehr als die Abwesenheit des Lebendigen; es sind die ungelesenen Seiten der vielen Bücher, die in den Regalen überall im Saal stehen. Ich hätte nicht gedacht, dass man merkt, wenn Bücher nicht mehr zur Hand genommen werden, aber nach den unzähligen Stunden in Birchwoods viel genutzter Bibliothek ist es, als ob ich diese Bücher flüstern hören könnte, als ob ich fühlen würde, wie sie nach mir greifen, wie sie nach einem Publikum verlangen.
    Madame Berrier bleibt vor einem großen Schreibtisch in der Mitte des Lesesaals stehen. Sie dreht sich zu Edmund um und wirft mir dann einen bedeutungsvollen Blick zu.
    Ich hole tief Atem. »Edmund, würde es Ihnen etwas ausmachen, … sich ein wenig umzusehen oder … hier zu warten … oder …?«
    Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn wieder ausschließen muss, aber Madame Berriers Haltung lässt keinen Zweifel daran, dass sie unseren Besuch in der Bibliothek als vertrauliche Angelegenheit behandelt wissen
will. Edmund scheint es nicht zu kümmern. Er nickt und schlendert zu den hohen Regalen, ehe er um die Ecke verschwindet.
    Wir schauen uns suchend um. Auf beiden Seiten des Saals führen Türen in kleinere Seitenräume und eine schmale Treppe windet sich zu dem oberen Stockwerk.
    »Vielleicht sollten wir …«, sage ich, doch das schwere Klicken von Schuhen, die sich von einem der hinteren Räume nähern, unterbricht mich.
    Auf dem Gesicht der Frau, die auf uns zukommt, liegt ein Lächeln des Willkommens. Das ändert sich schlagartig in dem Moment, in

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