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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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durch den Kopf.
    Und da weiß ich es. Ich weiß, wie sie ihn dazu verführten, mit den Schwingen zu reisen.
    »Meine Mutter.«

15
     
     
     
     
    A ls Madame Berrier wieder spricht, liegt keine Überraschung in ihrer Stimme, und Fragen bedürfen keiner Antwort.
    »Wäre er nicht der Versuchung erlegen, ihr Gesicht sehen und ihre Stimme hören zu dürfen? Besonders wenn er Angst um seine Tochter hatte, um ihre Rolle in der Prophezeiung, von der nur wenige Männer je erfahren haben und an die noch weniger überhaupt glauben?«
    Ich sehe die Tür zum dunklen Zimmer am Todestag meines Vaters, fühle die kalte Luft, die aus dem verlassenen Raum in das fahle Morgenlicht weht.
    Das dunkle Zimmer. Das Zimmer meiner Mutter.
    Ich denke daran, wie mühelos ich mit den Schwingen reiste, wie leicht ich in sie hineinglitt, nicht ahnend, dass sie mehr sind als bloße Träume.
    »Er wusste es nicht«, murmele ich. »Er wusste nicht, dass er mit den Schwingen reist. Er wusste nicht, dass er in den Anderswelten den Geistern ausgeliefert war.«

    Sie nickt. »Es ist leicht, dem Ruf der Geister unter dem Deckmantel eines schönen Traums zu folgen, und die verlorenen Seelen hatten allen Grund dazu, die Seele Ihres Vaters festzuhalten, ihn der Anderswelt preiszugeben.«
    Eine Welle der Verzweiflung erfasst mich, als mich ein entsetzlicher Verdacht anspringt. »Wollen Sie … wollen Sie damit sagen, dass sich seine Seele im Abgrund befindet?«
    Sie hebt das Kinn und betrachtet die Zimmerdecke, als ob die Antwort auf meine Frage irgendwo in den Stuck geschrieben wäre. »Miss Sorrensen erwähnte, dass sie während einer Sitzung eine Botschaft von Ihrem Vater bekam.«
    Die Erinnerung an diese erste, verwirrende Begegnung mit Sonia lässt mich unruhig auf dem Sofa herumrutschen. »Ja. Jedenfalls glaube ich das«, sage ich. »Ich habe sie nicht selbst gehört. Sie wurde … mir durch Sonia übermittelt.«
    Madame Berrier lächelt mich ermutigend an. »Miss Sorrensen ist außergewöhnlich begabt. Wenn sie sagt, dass die Botschaft von ihm kam, dann ist das vermutlich auch so. Und wenn es so ist, bedeutet das, dass er dem Abgrund irgendwie entfliehen konnte.« Sie zuckt mit den Schultern. »Das ist durchaus möglich. In den Anderswelten gibt es Wesen mit genug Macht, um eine Seele dem Abgrund zu entreißen, obwohl der Helfende sich dadurch selbst in Gefahr begeben würde. Vielleicht Ihre Mutter?«
    Etwas, das Tante Virginia zu mir sagte, zuckt wie ein Blitz durch meine Gedanken. »Meine Tante sagt, dass meine Mutter … eine Zauberin war.«
    Madame Berrier nickt. »Ah! Dann ist es durchaus denkbar,
dass sie sich einmischte, um ihm zu helfen. Wirkliche Zauberinnen gibt es nur wenige. Eine Zauberin wäre mächtig genug, etwas zu unternehmen. Seine Seele ist immer noch in den Anderswelten gefangen, aber es ist ihr erlaubt, sich frei zu bewegen.«
    So schmerzhaft die Vorstellung von meines Vaters Seele, die verloren in den Anderswelten herumirrt, auch ist, so bin ich doch dankbar dafür, dass es ihm erlaubt war, den Abgrund zu verlassen, besonders wenn er jetzt mit meiner Mutter vereint ist.
    Sonia, die Madame Berrier mit einem hoffnungsvollen Blick anschaut, stellt die Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge liegt. »Sie meinten, dass man die Wahl hat, Madame, dass Lia die Wahl hat.«
    »Aber natürlich. Miss Milthorpe muss Entscheidungen treffen, wie wir alle, obwohl sie zweifellos ein bisschen komplizierter und gefährlicher sind. Sie kann entscheiden, ob sie das Tor öffnet und das Untier in die Welt lässt oder ob sie es für immer verschließt, wozu sie als Engel das Recht hat.« Sie rückt näher und sagt mit einem Hauch Sarkasmus in der Stimme: »Ich für meinen Teil hoffe doch sehr, dass sie sich zu Letzterem entschließt.«
    Ich starre sie an. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand aus freiem Willen das Untier auf die Menschheit loslassen würde. »Aber da gibt es doch gar keine Frage! Natürlich werde ich es verschließen! Aber … ich weiß nichts von der Prophezeiung außer dem Teil, den wir gelesen haben.«

    Sonia räuspert sich. »Aus diesem Grund sind wir hier, Madame. Wir haben gehört, dass man die Prophezeiung beenden kann. Dass es eine Möglichkeit gibt, das … das Tor für immer zu verschließen. Es gibt einen Hinweis auf Schlüssel, wissen Sie? Wir glauben, dass sie der Weg sind, alles zu beenden, aber wir wissen nicht, wo wir sie finden sollen. Wir haben keine Ahnung, wo wir anfangen sollen zu suchen.«
    Madame

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