Die Prophezeiung der Schwestern - 1
hast natürlich recht. Es … Es tut mir leid, James.«
Er holt tief Atem und schaut mich an. In seinem Blick liegt Enttäuschung. Es ist keine Entschuldigung, die er von mir will. »Warum willst du nicht mit mir reden? Bedeute ich dir überhaupt noch etwas?«
»Aber natürlich, James. Daran wird sich nie etwas ändern. Das hier …« Ich deute unbestimmt in Richtung der Straße. »Dieser Ausflug hat überhaupt nichts mit dir oder mit meinen Gefühlen für dich zu tun.« Ich versuche es mit einem Lächeln. Es fühlt sich merkwürdig auf meinem Gesicht an, als ob ich es aufgesetzt hätte und erst jetzt merken würde, dass es nicht genau passt, aber es ist das Beste, was ich zustande bringe. Ich treffe eine rasche Entscheidung; ich werde so nah bei der Wahrheit bleiben wie möglich. »Ich habe mich nur davongeschlichen, um mich mit einer Freundin aus Wycliffe zu treffen. Sie kennt eine Frau, die mit Hexerei vertraut ist und …«
»Hexerei?« Er hebt die Augenbrauen.
»Ach, es ist nichts.« Ich winke ab. »Glaubst du mir nicht? Ich war bloß neugierig und Sonias Freundin wollte uns ein paar alte Bücher zeigen, das ist alles.« Ich schaue zu Edmund hin, der demonstrativ seine Taschenuhr hervorzieht und sie aufklappt. »Und jetzt muss ich wirklich los, sonst merkt Tante Virginia, dass ich weg war, und dann werde ich durch diesen harmlosen kleinen Ausflug ziemlich großen Ärger bekommen.«
Er starrt mir in die Augen. Ich weiß, dass er versucht herauszufinden, ob ich die Wahrheit sage. Ich halte seinem Blick stand, bis er langsam nickt. Aber als wir uns verabschieden und ich zur Kutsche gehe, wird mir klar, dass ich in seinen blauen Augen kein Verständnis gesehen habe, sondern die Akzeptanz seiner Niederlage.
Ich sitze neben Henry im Wohnzimmer und lese, als Margaret mich von der Türschwelle aus anspricht. »Jemand hat das für Sie abgegeben, Miss.«
Ich stehe auf und gehe ihr entgegen. »Für mich?«
Sie nickt und reicht mir einen cremefarbenen Umschlag. »Ein Bote hat das gerade eben gebracht.«
Ich nehme den Umschlag und warte, bis ich höre, wie sich ihre Schritte in der Eingangshalle entfernen.
Henry schaut von seinem Buch auf. »Was ist das, Lia?«
»Ich weiß es nicht.« Ich setze mich wieder in den Sessel neben dem Kamin und reiße den Umschlag auf.
Darin steckt ein Blatt Papier. Ich ziehe es heraus und betrachte die Handschrift, die sicheren und eleganten Buchstaben, die sich über das blütenweiße Blatt ergießen.
Liebe Miss Milthorpe, ich denke, ich kenne jemanden, der Ihnen weiterhelfen könnte.
Alastair Wigan, Lerwick Farm.
Sie können ihm vertrauen, so wie Sie mir vertrauen.
Er erwartet Sie.
Madame Berrier
»Von wem ist die Nachricht?«
Henry neben mir ist ganz zappelig vor Aufregung. Es stimmt mich traurig, dass allein schon die Ankunft eines einfachen Briefs angesichts der Eintönigkeit seiner Tage ein so großes Ereignis für ihn ist.
Ich schaue ihn an und lächle. »Der Brief kommt von Sonia. Sie sagt, dass sie die Erlaubnis bekommen hat, uns zu besuchen.« Ich schiebe das aufkeimende Schuldgefühl beiseite, das mich bei dieser neuerlichen Lüge überkommt. Es ist nur eine halbe Unwahrheit, denn ich habe bereits mit Tante Virginia über meinen Plan gesprochen, Sonia und Luisa in den Ferien nach Birchwood Manor einzuladen.
Er strahlt. »Aber das ist ja großartig, nicht wahr?«
Ich falte das Papier und stecke es zurück in den Umschlag. Ein Winkel meines Herzens füllt sich mit leiser Hoffnung.
»Ja, Henry. Das ist es. Es ist wirklich großartig.«
17
B ist du sehr aufgeregt, Lia?« Henrys Stimme erklingt hinter mir, während ich aus dem Wohnzimmerfenster nach der Kutsche Ausschau halte. Ich drehe mich um. »Grundgütiger! Zum letzten Mal, Henry: Ja! Obwohl deine ständige Fragerei in mir den Eindruck erweckt, dass du noch viel aufgeregter bist als ich.«
Er errötet, gibt sich aber keine Mühe, das Lächeln zu verbergen, das in seinem Mundwinkel seinen Anfang nimmt und sich dann bis zu den Augen ausbreitet. So behütet wie er ist, kann man leicht vergessen, dass Henry schon zehn Jahre alt ist, aber ich habe bemerkt, wie er Sonia anschaute, als sie das erste Mal hier war, und ich kann mir vorstellen, dass er sich darauf freut, sie wiederzusehen.
Als ich mich wieder dem Fenster zuwende, biegt die Kutsche gerade in die Einfahrt ein. Einen Moment lang vergesse ich, dass ich eine junge Dame bin und daher immun gegen Gefühlswallungen sein sollte.
»Sie sind
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