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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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verborgen ist, obwohl ich von meiner Position aus nichts davon erkennen kann.
    »Oh ja. Ja, bitte«, sagt Mr Wigan.
    Ich gehe Sonia zur Hand, und gemeinsam stellen wir die Bücher auf den Boden, wobei eine Staubwolke aufwirbelt, die uns in die Kehle dringt, sodass wir husten müssen. Ich versuche, darüber hinwegzusehen, dass die Tischplatte schmutzig ist, denn Mr Wigan scheint das nicht zu kümmern. Er stellt das Tablett ab, ohne den Tisch vorher abzuwischen.
    »So! Sylvia erzählte mir, dass ihr ein paar ziemlich harte Nüsse zu knacken habt.« Er gießt Tee in Tassen, die nicht zueinanderpassen, und reicht jeder von uns eine davon. Dann füllt er noch eine für Edmund, der überrascht vortritt und sich mit einem Nicken bedankt. »Sie hat mir alles über die Prophezeiung erzählt, obwohl ich sie natürlich kannte, von meiner bösen Heidenmutter.« Seine Augen funkeln vergnügt, und es ist klar ersichtlich, dass er in Wirklichkeit ganz anders über seine Mutter denkt. »Ziemlich merkwürdig,
ihr ausgerechnet hier wieder zu begegnen - der Prophezeiung, meine ich natürlich.«
    »Was meinen Sie …? Oh!« Der Geschmack des Tees auf meiner Zunge lässt mich verstummen. Er schmeckt nach Orangen und nach etwas anderem, nach Lakritz, denke ich. »Das schmeckt ausgezeichnet!«
    Mr Wigan beugt sich vor und strahlt mich an, sodass unzählige Falten sein ohnehin verwittertes Gesicht zerfurchen. »Wirklich? Nicht zu stark?«
    »Nein, gar nicht!«, sage ich. »Er schmeckt herrlich!« Ich nehme noch einen Schluck und setze dann die Tasse ab. »Warum sind Sie überrascht, ausgerechnet hier wieder der Prophezeiung zu begegnen?«
    »Nun, weil es eigentlich eine keltische Legende ist. Ja, sicher gibt’s die Wächter auch in der Bibel, aber der Mythos der Schwestern stammt von den Kelten, aus Britannien, glaube ich.«
    Ich nicke. »Ich verstehe. Aber was ich nicht ganz verstehe, ist, warum Madame Berrier - Sylvia - glaubt, dass Sie uns helfen können…«
    »Ich schon. Ich bin so eine Art Experte für Vergangenes. Nicht für die normalen Sachen, die jedermann weiß. Eher für Sachen, von denen die meisten glauben, dass sie der Erinnerung nicht wert sind. Wie auch immer«, seufzt er. »Ich weiß ein wenig über keltische Mythen, biblische Mythen, über die Druiden …« Er wedelt mit der sonnengebräunten Hand durch die Luft. »Das ist alles dasselbe, egal wie man es auch nennt.«

    »Aha. Nun, dann sind Sie vielleicht tatsächlich in der Lage, uns weiterzuhelfen, Mr Wigan.« Ich ziehe die Übersetzung der Prophezeiung aus meiner Tasche und reiche sie ihm. »Es gibt einen Abschnitt in der Prophezeiung, den wir nicht entschlüsseln können. Madame Berrier hat uns von Samhain erzählt, aber die Stelle mit der steinernen Schlange konnte sie nicht einordnen. Dieses Wort, Aubur, kam ihr bekannt vor, und ganz offensichtlich glaubt sie, dass Sie Näheres darüber wissen könnten.«
    Er nickt und schürzt die Lippen. »Mächtig interessant ist das. Mächtig interessant, in der Tat.« Er legt das Blatt Papier auf seinen Schoß, trinkt einen Schluck Tee und bleibt stumm. Nach einer Weile glaube ich, dass er überhaupt nicht mehr die Absicht hat, noch etwas zu sagen.
    Ich räuspere mich. »Tja, nun …«
    »Was wir wissen wollen, Mr Wigan«, unterbricht mich Luisa, »ist, ob Sie etwas mit diesem Hinweis anfangen können.«
    Er schaut uns überrascht an, als ob darüber nie ein Zweifel bestanden hätte. Er steht auf, geht zu einem der wackeligen Regale und betrachtet eine Reihe von Büchern, eins nach dem anderen, als ob er jedes Einzelne von ihnen gut kennen würde, obwohl sie augenscheinlich völlig willkürlich beieinanderstehen. Kurz darauf zieht er einen in Stoff gebundenen Band heraus, dreht sich zu uns um, nimmt wieder Platz und schlürft seinen Tee, während er das Buch durchblättert.
    Luisa beugt sich so weit vor, dass sie beinahe vom Stuhl
fällt. Ihr Mund ist nur noch ein schmaler Strich, und ich kann mir vorstellen, welche Willenskraft es sie kosten muss, Mr Wigan das Buch nicht einfach aus der Hand zu reißen und es selbst zu untersuchen. Aber Mr Wigan lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er gibt keinen Ton von sich. Er dreht einfach nur langsam und vorsichtig eine Seite nach der anderen um, bis er auf den letzten Seiten plötzlich innehält.
    Er reicht mir das Buch gemeinsam mit einer Erklärung. »Man nennt es heutzutage nicht mehr Aubur. Das ist vermutlich der Grund, warum Sylvia nichts damit anfangen konnte. Aubur ist sein

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