Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink

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habe.
    »Als sie mich das letzte Mal verfolgten, wurden sie aufgehalten.«
    Sie schüttelt verständnislos den Kopf. »Was meinst du damit?«
    »Ich wusste damals nicht, dass ich auf den Schwingen reiste. Ich dachte, sie jagten mich über den Himmel meiner Träume. Sonia war diejenige, die mich warnte. Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte ich keine Chance gehabt. Auch so kamen sie mir nahe genug, um mich zu vernichten, aber im letzten Moment wurden sie von etwas aufgehalten. Es war,
als ob sie nicht an mich herankämen, wie sehr sie es auch versuchten. Ich dachte, diesmal würde es genauso sein. Das ist der Grund, warum ich so lange - zu lange - zögerte, wieder zurückzukehren.« Ich schlage die Augen nieder. »Als ich meinen Fehler bemerkte, war es zu spät.«
    Ihr Gesicht wird starr. »Du musst dich irren. Was du mir da erzählst… nun, so etwas kann nur durch verbotene Magie bewirkt werden.«
    »Verbotene Magie?« Über meine Haut zieht ein kalter Schauer. »Ich weiß nichts über Magie.«
    Ihr Atem geht so schnell, dass ich sehen kann, wie sich ihre Brust hebt und senkt. Sie starrt auf die Wand hinter meinem Bett. Dann steht sie auf und schaut mich mit unverhohlener Furcht an.
    »Lia. Steh auf und hilf mir.«

    »Willst du mir nicht sagen, was das alles zu bedeuten hat, Tante Virginia?«
    Wir haben den kleinen Nachttisch zur Seite gerückt, damit wir mehr Platz haben, und stehen jetzt jeder auf einer Seite des Bettes, um es von dem großen Läufer, auf dem es steht, wegzuziehen.
    Tante Virginia schaut mich über das Bett hinweg an. Ihr Haar fällt auf den Kragen ihres grünen Morgenmantels.
    »Noch nicht. Ich bin mir selbst noch nicht sicher, ob meine Vermutung richtig ist. Wir müssen das Bett nicht gänzlich verrücken, nur ein kleines Stück. Nur so viel, dass wir den Läufer zurückschlagen können.«

    »Also schön. Du schiebst und ich ziehe.«
    Das Bett ist nicht so schwer, wie es angesichts der mächtigen geschnitzten Pfosten und dem großen Kopfteil zu erwarten wäre. Wir schieben es ohne große Anstrengung ein Stück zur Seite, sodass eine Ecke des Läufers freiliegt. Tante Virginia bückt sich und greift danach. Dann zieht sie die Hand zurück, als hätte sie es sich anders überlegt.
    »Was ist los?«
    Sie sieht zu mir hoch. »Ich wünsche mir, dass ich mich irre.«
    Hörbar holt sie Atem, als ob sie all ihre Kraft zusammennehmen müsse. Und dann schlägt sie den Läufer zurück, keucht auf, als ihr Blick auf das fällt, was sich darunter verbirgt. Das Symbol, das in den Holzboden eingeschnitten ist, ist mir unbekannt, aber trotzdem kriecht mir bei seinem Anblick eine Gänsehaut über Arme und Nacken.
    »Was ist das?«, flüstere ich.
    Tante Virginia wendet keine Sekunde den Blick von dem Zeichen auf dem Boden. »Das ist … es war ein Zauber. Ein Zauber, der dich im Schlaf mit einem Schutzmantel umgab.« Sie schaut wieder zu mir auf. »Der Kreis ist ein uraltes Schutzsymbol, Lia. Wenn jemand mächtig genug ist, kann er einen Zauber weben, der für die Sicherheit aller sorgt, die sich innerhalb des Kreises befinden, oder aber Böses abwehren.«
    Ihre Worte hallen in meinen Ohren wider. Und dann höre ich wieder Tante Virginias Worte über meine Mutter: Sie war eine Zauberin.

    Ich neige leicht den Kopf, um das Symbol auf dem Boden vor mir besser betrachten zu können. Obwohl nur ein Teil davon sichtbar ist, sieht es in meinen Augen nicht wie ein Kreis aus. Als ich Tante Virginia darauf aufmerksam mache, erhebt sie sich. Sie zittert, als ob ihr kalt wäre, obwohl Ivy vor kaum einer Stunde das Feuer geschürt hat und im Zimmer eine angenehme Wärme herrscht.
    »Das ist so, weil es kein Kreis mehr ist, Lia. Jemand hat den Zauber unwirksam gemacht. Jemand hat den Kreis durchschnitten und den Schutzmantel damit vernichtet. Jemand, der will, dass du verwundbar bist, wenn du auf den Schwingen in die Anderswelten reist.«
    Ich fühle ihre Augen auf meinem Gesicht, aber ich wage nicht, sie anzuschauen, aus Angst, dass ich entweder anfangen würde zu weinen oder zu schreien. Die Überreste des ursprünglichen Kreises sind blass. Offensichtlich wurden sie schon vor langer Zeit in den Boden geritzt. Aber die Kratzer, die sich darüber hinwegziehen, die den Zirkel beschmutzen, zunichte machen, sind frisch.
    Tante Virginia muss den Namen der Person nicht aussprechen, die hierfür verantwortlich ist, die mich einer solchen Gefahr ausgesetzt hat. Ich konzentriere stattdessen meine Gedanken auf den Menschen, der