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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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eine große Freude.
Sie erfüllt mich schließlich zur Gänze, denn ich spüre, wie mich ihre Liebe durch den Himmel vorantreibt.
    Ich ergötze mich an der Geschicklichkeit, die ich innerhalb kürzester Zeit in den Anderswelten erreicht habe, die neue Sicherheit, mit der ich Richtung und Geschwindigkeit meines Flugs steuern kann.
    Aber nicht lange. Hinter mir zerreißt ein weit entferntes Krachen den Himmel.
    Zuerst ist nur ein Vibrieren spürbar, und ich bin mir sicher, dass die Erde zittert, obwohl ich sie nicht berühre. Damit einher geht ein dumpfes Rumpeln, das von unten heraufdringt, als ob der Boden durch die Wucht dessen zerschmettert wird, was da auf mich zudonnert.
    Vor mir erhebt sich ein grauer Schemen. Das muss Birchwood sein, doch als ich hinter mich schaue, sehe ich die Seelen als eine riesige schwarze Horde auf mich zurasen. Aus der Entfernung gleichen sie einer summenden Wolke aus Insekten, aber ich weiß, dass sie schon bald über mir sein werden und es nichts gibt, womit ich sie verscheuchen kann.
    Die Anziehungskraft von Birchwood, die Vertrautheit und Sicherheit, die mich dort erwartet, ist mächtig, aber ich glaube nicht, dass ich in der Lage bin, vor den Seelen dort zu sein. Ich verharre im Flug und treffe die einzige Entscheidung, die mir noch die Hoffnung auf ein Entkommen lässt. Ich stelle mir vor, wie ich kurz über dem Boden schwebe, und in Sekundenschnelle wird aus meiner Vorstellung eine Tatsache.

    Und dann warte ich, schaue zu, wie die Wolke größer wird, dunkler, lauter, während sie sich mir unaufhaltsam nähert. Ich muss mich ihnen hier stellen, unter dem Himmel ihrer eigenen Welt. Ich würde gerne behaupten, dass ich keine Angst habe, dass ich angesichts dieser Seelen tapfer und entschlossen meine Stellung halte. Aber das wäre eine Lüge, denn wer würde keine Furcht empfinden beim Anblick dieser brüllenden Legion? Nein, es ist nicht nur Furcht, die ich empfinde, es ist der nackte Schrecken. Ich zittere am ganzen Leib, selbst wenn es nur mein Astralkörper ist. Aber ich rühre mich nicht vom Fleck und zwinge mich, aufrecht zu schweben.
    Mein Plan ist alles andere als klug, aber mehr als den einen habe ich nicht. Und so warte ich auf den Moment, in dem die Seelen nah genug sind, damit ich die Kraft in mir heraufbeschwören kann, von der Sonia mir erzählte. Ich muss den Zeitpunkt genau abwägen, früh genug, um die Seelen aufzuhalten, aber nicht zu früh, damit ich nicht die wenige Zeit, die mir zur Flucht bleibt, verschwende. In meinem Kopf höre ich Sonias Stimme. Sie zählt.
    Eins… zwei. .. drei …
    Noch nicht.
    Vier… fünf… sechs …
    Sie sind jetzt nah, so nah, dass ich ihre gequälten, zornigen Gesichter erkennen kann, die langen Bärte, die über schwarze, zerrissene und sich fast schon von den bulligen Körpern lösende Gewänder fallen.
    Sieben… acht …

    Das Heulen, das von der Horde aufsteigt, ist unmenschlich, ist ein Kriegsgeschrei, das von einem wilden Tier zu stammen scheint. Im Näherkommen fächern sie auseinander, breiten sich über mir und unter mir aus, zu beiden Seiten, bis ich befürchte, dass ich zu lange gewartet habe. Bis ich mir sicher bin, dass sie meine Seele verschlingen, ganz und gar.
    Ich kann nichts weiter tun, als meine Augen zu schließen und mir das Samenkorn vorzustellen, das winzig und fest verschlossen in den geheimsten Tiefen meines Körpers schlummert. Ich sehe, wie sich die Schalen lösen, eine nach der anderen, die Schichten darunter enthüllen, die immer heller und heller werden, bis ich den prallen, lebendigen Kern in der Mitte erreiche. Er atmet. Er pocht. Er pulsiert vor Leben.
    Ich kann die Seelen immer noch hören, aber ihr Kreischen ist nicht mehr Teil meiner Welt, denn ich habe mich in das stille und gedämpfte Zentrum meines Selbst zurückgezogen. Der einzige Klang, den ich klar und deutlich hören kann, ist das Schlagen eines Herzens. Zunächst denke ich, dass es aus meiner eigenen Brust kommt, doch dann öffne ich die Augen und sehe das rote Licht inmitten der schwarzen Masse pulsieren, die donnernden Schwingen, die gespenstisch brausend die Luft innerhalb der schattenhaften Wolke aus Seelen zerschneiden. Von Samael in ihrer Mitte geht das rote Glühen aus und sein Herz schlägt im Rhythmus meines eigenen. Seine zahlreichen, mächtigen Flügel sind ausgebreitet und bedecken seine Armee.

    Ich muss meinen Geist wieder zurück zu jenem Samenkorn zwingen, zu dem lebendigen Kern in seiner Mitte. Ich sehe, wie er

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