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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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Armen. »Ich will ihn nicht verletzen.«
    Fédéric schüttelte langsam den Kopf und trat zurück. Im Zwielicht konnte sie seinen Gesichtsausdruck nicht deuten und sie wünschte, er könnte sie verstehen.
    »Du hängst an ihm«, sagte er jetzt. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »Ohne ihn wären wir nicht hier«, sagte sie leise. »Er hat alles aufgegeben für mich, wie könnte ich ihm wehtun?«
    »Du hast recht.« Auf einmal klang Fédérics Stimme kühl und beherrscht. »Wir sind immer gute Freunde gewesen, es wäre schade, das aufs Spiel zu setzen.« Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verschwand im Haus. Julie bückte sich und hob das Buch auf, dann blickte sie noch einmal nach oben, aber es war niemand zu sehen.
    »Meine Vermutung war richtig«, verkündete Plomion am nächsten Tag. Er hatte offensichtlich die ganze Nacht gearbeitet und saß mit zerzaustem Haar an seinem Arbeitstisch im Wintergarten. »Es war wirklich die Vignère-Verschlüsselung. Julie, dein Pflegevater war ein kluger Kopf! Nun weiß ich, wie ich die Legierung herstellen kann, die den Kräften des Kristalls widersteht.« Er stand auf und stülpte sich seine Perücke über den Kopf. »Heute Nacht werde ich den Dorfschmied aufsuchen. Er hat mir schon früher allerlei angefertigt, das ich für meine Versuche benötigte, und wird uns nicht verraten. Dein junger Freund hier«, er legte eine Hand auf Fédérics Schulter, »hat mir bereits erzählt, dass es euch gelungen ist, an einen Herzkristall heranzukommen. Ein unglaubliches Glück. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen gesehen, und wie ihr wisst, weile ich schon seit geraumer Zeit auf dieser Welt.«
    Fédéric zog aus seiner Tasche, die er wie stets bei sich trug, den in ein Wolltuch gehüllten Kristall und wickelte ihn aus. Vorsichtig stellte er ihn auf den Esstisch, wo sich das Morgenlicht millionenfach in seinem Glas brach und vervielfachte, sodass er von sich aus zu leuchten schien.
    Plomion betrachtete ihn eine Zeit lang schweigend. »Der Stein der Weisen«, sagte er dann. »Generationen von Alchemisten haben vergeblich versucht, ihn künstlich zu erzeugen. Pack ihn wieder ein, Junge, und hüte ihn besser als deinen Augapfel, denn etwas Wertvolleres gibt es nicht auf dieser Welt.«
    Während Fédéric den Kristall wieder verstaute und hinausging, wandte sich Julie an Plomion. »Erzählt mir etwas über meine wirklichen Eltern«, sagte sie.
    Plomion nickte. »Deine Mutter stand mir sehr nahe. Mit Kronos dagegen bin ich nie gut ausgekommen. Er war zu stolz darauf, einer der zwölf Ursprünglichen zu sein.« Er bemerkte Julies verwirrte Miene und erklärte: »Ursprünglich gab es zwölf Seraphim, deine Eltern gehörten zu ihnen.«
    Es ging über Julies Vorstellungsvermögen, dass ihre Eltern so alt sein sollten wie die Welt selbst. Plomion schien ihre Gedanken zu erraten, denn er sagte: »Wir mögen unsterblich sein, aber auch an uns hinterlässt die Zeit gewisse Spuren. Viele von uns leiden unter Gedächtnisschwund – wenn man so lange gelebt hat, ist es nicht einfach, nicht dem Wahnsinn zu verfallen. Im Ursprünglichen Reich gibt es keine Zeit, es ist nicht so wie hier, wo einem jede Sekunde wie ein Gewicht auf den Schultern lastet, wenn man Zehntausende von Jahren hinter sich hat.«
    »Kennt Ihr die Prophezeiung?«, fragte Julie weiter.
    Plomion nickte und mit klarer Stimme trug er vor:
    »Der Höchste raubte euch die Schwingen
    Verbannte euch, versiegelte das Tor.
    Nie soll die Rückkehr mehr gelingen,
    Nie wieder Macht euch eigen sein so wie zuvor.
    Doch einer wird sich unter euch erheben
    Der zweifach soll sein eigen Blut vergießen,
    Vergehen muss, um neu zu leben,
    Auf dass ihm wieder Flügel sprießen.
    Dem Schwarzen Engel steht es offen
    Das Tor, das lang verschlossen war.
    Wenn er den Höchsten übertroffen,
    Ihm dienen wird die Dunkle Schar.«
    Er sah Julie mitfühlend an, bevor er weitersprach: »Ich glaube zu wissen, was sie bedeutet: Ein Seraph erhält seine Flügel zurück, wenn er das Blut seiner Kinder mit dem eigenen vermischt.« Er wandte den Kopf und sah ihr nun in die Augen. »Doch Zwillinge müssen es sein, einer für jeden Flügel.«
    »Deshalb hat Rhea uns weggegeben.«
    Plomion nickte. »Ich war es, der dich und deinen Bruder fortgebracht hat, gerade noch rechtzeitig … Cals Vergeltung an Rhea war schrecklich.«
    »Was hat er getan? Das habe ich mich schon die ganze Zeit gefragt.«
    Plomion sah bekümmert aus. »Es gibt eine Strafe, die

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