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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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vor ihrer ersten Vorstellung noch einmal die gesamte Nummer proben. Julie musste zugeben, dass sie aufgeregt war und sich auf ihren Auftritt freute. Und das, obwohl sie weit Wichtigeres im Kopf hatte.
    Gut, heute Abend frage ich Ruben, was er für richtig hält, versprach sie.
    Das solltest du , sagte Songe. Ich glaube nämlich, du unterschätzt ihn.
    Javier winkte Julie schon von Weitem, als er sie auf das Zelt zukommen sah, und sie begannen, ihre Nummer zum tausendsten Mal durchzugehen . An der Wurfwand lehnend fragte sie ihn: »Javier, wozu üben wir ständig? Du triffst immer!«
    »Niemals sicher sein«, erwiderte er und setzte die Wand, die auf einer drehbaren Platte montiert war, in Bewegung. Julie wurde davon übel, weshalb sie versuchte, immer geradeaus zu blicken. Die Messer schlugen mit einem trockenen Geräusch um sie herum ein, keines ritzte auch nur ihre Haut. Sie musste lächeln bei dem Gedanken, dass sie Javier bereits so sehr vertraute, obwohl sie ihn erst so kurze Zeit kannte. Er brachte die Scheibe zum Stillstand und half Julie, hinunterzusteigen. Sie fühlte sich ein wenig wackelig und wollte gerade einen Scherz darüber machen, als in ihrem Rücken eine grobe Stimme ertönte. »Verdammtes Biest, nun komm endlich!« Als Julie sich umdrehte, erblickte sie das eigenartigste Tier, das sie je gesehen hatte: Obwohl es ein Halfter wie ein Pferd trug und auch, abgesehen von dem langen Hals, ungefähr dessen Größe hatte, ähnelte es einem solchen nicht einmal annähernd. Sein Besitzer, ein grobschlächtiger Kerl mit einem Vollbart, der ihm in geflochtenen Zöpfen auf die Brust hing, zerrte an dem Seil, das am Halfter befestigt war, und trat dem Tier gleichzeitig gegen die Vorderbeine.
    »Wie gemein! Was ist das für ein Wesen?«
    Javier drehte sich um. »Wieder mal Lausbart mit seinem Wunder der Wälder.« Er zuckte die Achseln. »Wenn er das arme Vieh weiter so grob behandelt, steht er bald ohne Einnahmequelle da.«
    »Ja, aber was ist es?« Julie machte einige Schritte auf die eigenartige Kreatur zu. »So ein Tier habe ich noch nie gesehen!«
    Der Mann namens Lausbart hatte sich inzwischen das Seil über die Schulter gelegt, um die Kreatur mit sich zu ziehen, aber ohne Erfolg. Vorsichtig trat Julie näher. Das seltsame Wesen stemmte die Vorderbeine mit den Löwentatzen in den Boden, bog den Hals zurück und warf seinen Kopf, der dem einer Ziege ähnelte, hin und her. Die schwarzen, leicht vorstehenden Augen verdrehten sich und zeigten das Weiße. Sein Fell, so lang, dass es beinahe den Boden berührte, schimmerte bei jeder Bewegung wie Schnee, der in der Sonne glitzert. Julies Atem stockte, als das Tier unvermittelt Schwingen entfaltete, die ebenfalls mit feinem Fell bedeckt waren und darum nicht auffielen, solange sie am Körper lagen.
    »Mistvieh!« Der Besitzer ging dazu über, dem Tier das Seilende auf das Maul zu schlagen. Julie zuckte zusammen, als sie den Schmerz der gepeinigten Kreatur unmittelbar mitempfand. Diese Verbindung hatte sie bisher nur mit Songe erlebt.
    »Sofort aufhören!« Ohne nachzudenken lief sie auf den Mann zu und riss ihm das Seil aus der Hand. Obwohl sie ihm gerade bis zur Brust reichte, baute sie sich vor ihm auf, legte den Kopf in den Nacken und funkelte ihn an. Seine Aureole war eine Mischung aus Dunkelrot und giftigem Grün und sie spürte, dass er gereizt war wie eine Dogge, die man beim Mittagsschlaf stört.
    »Du wagst es!«, brüllte er und versuchte, ihr das Seil aus der Hand zu reißen. Aber Julie versteckte den Arm hinter ihrem Rücken und wich seinen plumpen Bewegungen mit Leichtigkeit aus. Er starrte verwundert auf die Stelle, an der sie eben noch gestanden hatte, und sah dabei so dumm aus, dass sie lachen musste.
    Sie hörte Javier ihren Namen rufen, achtete aber nicht darauf.
    »Wagt es nicht, dieses wehrlose Wesen noch einmal zu misshandeln!«, zischte sie. Ihr war danach, das Amulett abzunehmen und ihm eine geballte Ladung Furcht zu schicken. Doch ihr bestimmtes Auftreten schien zu genügen.
    »Ich schlage keine Weiber«, brummte Lausbart und spuckte auf den Boden.
    »Wenn Ihr das Tier so übel behandelt, habt Ihr kein Recht, es zu besitzen«, fuhr sie ihn an. Erst dann wandte sie sich dem Wesen zu, das die ganze Zeit unbeweglich stehen geblieben war, als wäre es vor Furcht erstarrt. Langsam hob sie die Hand und strich zart über das unglaublich feine Fell. Es war, als tauchte sie ihre Fingerspitzen in Wasser. »Alles ist gut, niemand wird dir etwas tun«,

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