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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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murmelte sie. Plötzlich bog es den Hals und stupste mit dem Maul an ihre Schulter, die glänzenden Augen blickten nun vertrauensvoll. Julie lächelte. Dieses wundervolle Geschöpf schien aus einem Märchen zu stammen, und dennoch war es wirklich.
    »Julie.« Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. »Gib Lausbart das Seil zurück«, sagte Javier. »Das Kalokardos gehört ihm.«
    Es dauerte einige Augenblicke, bis Julie begriff, was der Messerwerfer soeben gesagt hatte. »Kalokardos?«, wiederholte sie langsam.
    Javier nickte. »Lausbart wird es von nun an besser behandeln – nicht wahr, mein Bester? Oder muss ich dich mit der Spitze meines bevorzugten Dolches kitzeln, damit du dich an deine gute Kinderstube erinnerst?« Der Spanier ließ seine Goldzähne aufblitzen, Lausbart brummte etwas Unverständliches und streckte die Hand aus. Nur widerwillig überließ Julie ihm das Seil. Es schmerzte sie, dieses wunderschöne Wesen in den Händen eines solchen Grobians zu lassen, aber sie konnte nichts dagegen tun. In ihrem Kopf wirbelte das Wort »Kalokardos« umher, wo es mit dem Wort »Herzkristall« zusammenstieß, sodass ihr schwindlig wurde. Wie betäubt stand sie neben Javier, während der Bärtige das nun fügsame Tier wegführte. Kurz bevor sie zwischen den anderen Zelten verschwanden, drehte das Kalokardos noch einmal seinen langen Hals und blickte zurück.
    Hab Dank.
    Julie zuckte zusammen. Beinahe wäre sie Lausbart und seinem Tier hinterhergelaufen. Sie musste unbedingt mit diesem Fabelwesen sprechen, bevor der Jahrmarkt vorüber war! Doch das musste warten, Javier winkte sie zu sich.
    »Unangenehmer Zeitgenosse, dieser Lausbart«, sagte er, »besser, du suchst keinen Streit mit ihm. Komm, es wird bald dunkel und wir müssen noch die Wurfwand zur Arena bringen.«
    Unweit der Stadtmauer lagen die Überreste eines antiken Amphitheaters, wo die Vorstellung stattfinden sollte. Als Julie mit Javier die Wurfwand in die Arena schleppte, fragte sie sich unwillkürlich, ob die Menschen damals die Seraphim als ihre Götter angebetet hatten. Am Fuß der Sitzreihen trafen sie auf Eisenrachen und Fédéric, die anscheinend dabei waren, ihren Auftritt zu besprechen. Julie übersah Fédéric absichtlich, während sie Javier half, das Drehpodest zu montieren. Seit der nächtlichen Begegnung am Fluss war Fédéric ihr so offensichtlich aus dem Weg gegangen, dass sie sich nicht die Blöße geben wollte, ihn anzustarren. Doch unter gesenkten Lidern hervor bemerkte sie, dass er immer wieder den Kopf nach ihr drehte. Sollte sie zu ihm gehen und von dem Kalokardos berichten?
    Nach der Vorstellung musste sie herausfinden, wo Lausbart lagerte und, wenn möglich, mit dem Tier sprechen. Doch alleine wollte sie nicht gehen. Mit Fédéric an ihrer Seite würde sie sich sicherer fühlen, sagte sie sich. Tatsächlich vermisste sie ihn einfach.
    Bevor sie sich aber dazu durchringen konnte, ihn anzusprechen, verließen Fédéric und sein Lehrmeister das Amphitheater. Wenig später kehrten auch Julie und Javier zum Zelt zurück und teilten sich Milch und einige Karotten, die ihr Abendbrot darstellten. Javier war nicht reich, und bei den derzeitigen Getreidepreisen war an ein Brot nicht zu denken. Als Julie an ihrer letzten Karotte nagte, erinnerte sie sich an Gabrielles Brot, dessen Duft an Backtagen bis hinauf in ihre Kammer gedrungen war.
    »Viel verdienen werden wir heute Abend nicht«, sagte Javier, der ihre Traurigkeit nicht bemerkte, weil er versuchte, mit seinem Daumennagel ein Stück Möhre aus der Lücke zwischen seinen Vorderzähnen zu entfernen. »Wer gibt schon Geld für Kunststückchen aus, wenn er selbst kaum genug zu essen hat? Immerhin hilft es, in Übung zu bleiben, bis wieder bessere Zeiten kommen.«
    Er hat ja keine Ahnung, wie schlimm die Zeiten noch werden können, bemerkte Songe, die vor einer Weile unter der Zelt wand hereingeschlüpft war und nun zusammengerollt auf Julies Schoß lag.
    Als es dunkel wurde, kehrten sie zum Amphitheater zurück. Julie hatte das grüne Kostüm angezogen und bedauert, dass sie keinen Spiegel zur Verfügung hatte, um sich zu betrachten. Das Gewand schmiegte sich an ihren Körper und klimperte leise bei jedem Schritt, bot aber weniger Einblicke, als sie befürchtet hatte. Die Luft strich lau über ihr Gesicht, das weiche Mondlicht beleuchtete die Szenerie wie eine Bühne – es war ein vollkommener Sommerabend. Die Bürger von Rennes schlenderten vom Stadttor her den von Fackeln flankierten

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