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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Anspruch auf etwas erhebt, das mir gehört, könnt Ihr das dem Dorfsprecher vortragen, und er wird den Streit schlichten«, erwiderte Bramble.
    Ein Sprecher wurde von jedem Dorf gewählt, traf Entscheidungen bei Streitigkeiten zwischen den Dorfbewohnern und vertrat diese bei Geschäften mit dem Kriegsherrn. Die Männer des Kriegsherrn brachten ihm keinen besonderen Respekt entgegen. Bramble glaubte auch gar nicht daran, dass der Mann sich dem Dorfsprecher beugen würde, doch den Versuch war es wert. Der Rotschimmel trippelte mit angelegten Ohren herum; Bramble merkte, dass er so nervös wurde wie sein Reiter ungeduldig. Sie ließ sich von ihrer Angst nicht überwältigen. Es war besser, verärgert zu sein als verängstigt.
    »Wir bitten Dörfler nicht um Gefallen«, sagte er spöttisch. »Wo hast du es her?«
    »Von einem Wolf.«

    »Von meinem Wolf.« Er riss einen schwarz befiederten Pfeil aus dem Köcher an seinem Rücken und wedelte damit vor ihr herum. »Da steckte ein schwarzer Pfeil drin, als du ihn gefunden hast, nicht wahr?« Er steckte den Pfeil wieder in den Köcher. Das dumpfe Geräusch ließ den Rotschimmel zusammenfahren. Ein kurzes Zusammengehörigkeitsgefühl mit dem Pferd kam in Bramble auf. »Du hast den Kadaver gefunden und gehäutet … nun, daran ist nichts auszusetzen. Aber es ist mein Fell, und ich will es haben.«
    »Habt Ihr den Wolf erlegt?«, fragte sie leise.
    Er zögerte. »Ich habe ihn geschossen.«
    »Aber ich habe ihn getötet. Wenn Ihr nicht zum Dorfsprecher geht, sollte vielleicht der Kriegsherr darüber entscheiden?«
    Diese Vorstellung gefiel ihm nicht, da er dann seinem Oberherrn gegenüber würde zugeben müssen, dass es ihm nicht gelungen war, dem Wolf den Gnadenstoß zu versetzen. Der Rotschimmel machte einen Satz, als der Mann ihm die Sporen gab. Kaum hatte er einen Schritt nach vorn gemacht, wurde er heftig wieder zurückgerissen.
    »Gib es einfach her, sonst wird es dir noch leidtun.« Mit einer wohl überlegten Bewegung lockerte er das Schwert in seiner Scheide.
    Ihre Zehen krallten sich in die Rinde des Astes. Seine Arroganz führte dazu, dass sie wider ihren gesunden Menschenverstand und ihre Vernunft handelte. Es war typisch für einen Mann des Kriegsherrn, für alle Männer, die Schwert und Schild trugen. Typisch, dass er den Wolf nicht verfolgt und ihm den Gnadenstoß gegeben hatte, wie es jeder mitfühlende Jäger getan hätte. Der Wolf hatte sie mit flehenden Augen angeschaut, und sie wusste genug über Tiere, um zu wissen, wann es ihnen um Hilfe und wann um ein schnelles Ende ihrer Schmerzen ging. Sie hatte diesem
Mann die Arbeit abgenommen und würde die Früchte dieser Arbeit auch behalten.
    »Ich denke, dann gehe ich lieber zum Kriegsherrn.«
    Es war ein Fehler gewesen aufzustehen. Sie sah, wie er auf ihre nackten Beine und unter ihren Rock schaute. Die abscheuliche Vorstellung, dass er sie berührte, drehte ihr den Magen um, und in ihrer Brust machte sich ein panischer Schrecken breit. Sie unterdrückte ihn. Männer wie er lebten von der Angst der anderen.
    In seinen Augen und in seinen fest an den Zügeln zerrenden Händen lag der Vorsatz zu verletzen. Doch er zögerte. Der Kriegsherr gewährte seinen Männern zwar große Handlungsfreiheit, dennoch gab es Grenzen. Er konnte sie nicht einfach schlagen und das Fell an sich nehmen. Sie könnte zum Kriegsherrn gehen und sagen, dass sie nur zu gerne sein Urteil in dieser Angelegenheit hören wolle. Wenn der Blonde die Dinge einfach in die eigene Hand nahm, würde er sich damit in Schwierigkeiten bringen. Der Rotschimmel schnaubte und wich ein wenig zurück.
    Er zügelte ihn mit einer ungestümen Bewegung, ignorierte ihn jedoch ansonsten. Sie sah an seinen Augen, dass er angestrengt nachdachte, sah, wie er nach einer Möglichkeit suchte, sie vor dem Kriegsherrn in Misskredit zu bringen.
    Es ließ sie frösteln.
    »Schwarze Haare und schwarze Augen«, höhnte er. »Du bist ein Wanderermädchen, nicht wahr? Stimmt es, was man sagt, dass ihr mit jedem geht?«
    »Nein.« Ihre Stimme war so kühl und fest, wie sie es nur bewerkstelligen konnte.
    Sie sah die Andeutung einer Reaktion auf seinem Gesicht, und die warnende Stimme in ihr wurde lauter. Der alte Ceouf stand im Ruf, seinen Leuten eine Vergewaltigung durchgehen zu lassen. Wenn sie sich hinterher bei ihm darüber
beschwerte, wie der Mann mit dem Wolf umgegangen war, würde der Blonde es abstreiten und sie beschuldigen, sich für die Vergewaltigung revanchieren zu

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