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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Vielleicht waren sie dazu nicht in der Lage. Vielleicht lag das an dem Blut der Wanderer, das sie von ihrem Großvater geerbt hatte, so wie seine schwarzen Augen und sein schwarzes Haar.
    Vorsichtig setzte sie sich im Schneidersitz vor den Felsen und neigte den Kopf. Heute musste sie einen Gefallen erbitten, und um das zu tun, gab es überlieferte Riten.
    »Götter des Felds und des Stroms, höret Eure Tochter. Götter des Himmels und des Windes, höret Eure Tochter. Götter der Erde und des Gesteins, höret Eure Tochter.«
    Vielleicht hätte sie eine Opfergabe mitbringen sollen; eine ihrer Ziegen hatte in der vergangenen Nacht ein Junges geworfen. Sie mochten junge Opfergaben, hieß es. Doch man hätte das Blut bemerkt. Und die Dorfschnüffler hätten erst Ruhe gegeben, wenn sie herausgefunden hätten, wer das Opfer gebracht hatte und warum. Sie zwang sich dazu, ihre Gedanken wieder auf ihr Anliegen zu richten.
    »Götter des Feuers und des Sturms, höret Eure Tochter. Habt die Güte, meine Familie zu beschützen. Haltet die Männer des Kriegsherrn von ihr fern, bringt ihr Gesundheit und Glück.«
    Sie holte ihr Messer heraus, schnitt sich eine Haarlocke nahe des Nackens ab und legte sie auf den Felsen.
    »Nehmt dieses Opfer als Zeichen meiner Verehrung an. Nehmt es, um ein Band der Sicherheit um meine Familie zu knüpfen. Nehmt es, um mich noch fester an Euch zu binden.«
    Die Haare bewegten sich in einem Luftzug, den Bramble nicht spüren konnte. Die Götter untersuchten ihre Opfergabe. Der Luftwirbel drehte sich und zerzauste ihr das Kopfhaar. Innerlich verspürte sie ein Prickeln, das bedeutete,
dass die Götter sie berührten, und wie immer drehte sich alles um sie, während die Götter ihre Gedanken ausloteten. Sie schwankte zwischen Freude und einem heiligen Schrecken, der völlig anders war - reiner - als die Angst, die sie sich gegenüber dem Mann des Kriegsherrn versagt hatte.
    Als ihr Blick wieder klar wurde, bemerkte sie, dass die Haare auf dem Felsen verschwunden waren. Die Götter hatte ihr Opfer angenommen.
    Erleichtert stieß sie den Atem aus. Mehr konnte sie nicht tun. Langsam stand sie wieder auf und trat zurück. Wahrscheinlich war es nur Aberglaube, der besagte, dass es Unglück brachte, den Göttern den Rücken zuzuwenden, doch sie war nicht bereit, es aus diesem Grund auf ein Unglück ankommen zu lassen.
    Dass die Götter sie erhört hatten, begriff sie, als sie zu Hause feststellte, dass ihre Mama und ihr Papa einen Brief von Maryrose und deren Mann Merrick lasen, in dem diese sie alle dazu einluden, nach Carlion zu kommen und dort zu leben. Von ihrer Mutter, die als Magd bei der Frau des alten Kriegsherrn gearbeitet hatte, hatte Mama lesen gelernt und es ihrem Mann und beiden Mädchen beigebracht.
    Über einen möglichen Umzug hatten sie schon zuvor gesprochen, eher beiläufig während der Vorbereitungen zu Maryroses Heirat. Nun aber war es soweit, einen Entschluss zu fassen.
    »Sie sagen, sie bauen das neue Haus so groß, dass wir alle Platz darin finden«, sagte ihr Papa. »Merrick muss es gut gehen.«
    »Ihr solltet gehen«, sagte Bramble. Die Erinnerung an den Mann des Kriegsherrn kam hoch, und Bramble musste sich ihr stellen. Seine Drohungen und auch die Drohung, die sie in seinem Blick erkannt hatte, ließen ihre Stimme rau klingen. Sie klopfte mit einem Kaninchenknochen auf den
Tisch. »Geht in eine freie Stadt, wo ihr vor den Leuten des Kriegsherrn in Sicherheit seid.«
    Sie waren überrascht.
    »Sie haben uns nie behelligt«, sagte ihr Vater.
    »Das könnten sie aber. Wann immer sie wollen. In Carlion müsst ihr euch nur dem Stadtrat gegenüber verantworten.« Sie versuchte zu lächeln, einen Scherz daraus zu machen. »Wer weiß, am Ende werdet ihr selbst noch Mitglied des Stadtrates!«
    »Es ist eine große Veränderung, alle, die wir kennen, zurückzulassen. All unsere Freunde«, erwiderte ihr Vater. Dabei klang seine Stimme begeistert von der Vorstellung an eine Veränderung. Mama rümpfte die Nase.
    »Da sind ein paar, die ich nicht vermissen würde«, sagte sie. Dann legte sie eine Pause ein.
    »Ein paar schon. Aber dort ist ja Maryrose … und jedes Enkelkind, das wir haben werden, wird in Carlion geboren werden und dort aufwachsen.«
    Von diesem Moment an wusste Bramble, dass es beschlossene Sache war, mochte ihre Mutter auch laut darüber nachdenken, wie Bramble wohl mit dem Stadtleben zurechtkommen würde.
    »Du bist doch immer im Wald«, sagte ihre Mama.
    Bramble merkte,

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