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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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wollen. Und man würde ihm Glauben schenken. Sie würde ihm das Wolfsfell geben und dann direkt den Kriegsherrn aufsuchen müssen und ihm alles darlegen. Das war ihre einzige Chance. Ihre Hand bewegte sich langsam zu dem Fell. Doch er deutete die Geste falsch und glaubte, sie wolle ihre Besitzansprüche geltend machen.
    »Tu lieber, was man dir sagt, Mädchen. Du willst doch nicht, dass deiner Familie etwas zustößt, nicht wahr?« Erneut bewegte sich seine Hand zum Griff des Schwertes.
    Natürlich musste dieser Feigling eine solche Drohung aussprechen. Sie spürte, wie sich Verachtung auf ihrem Gesicht breitmachte, und sah seine Reaktion darauf. Aber auf die Geschwindigkeit, mit der er sich bewegte, war sie nicht vorbereitet.
    Mit einem Tritt bewegte er das Pferd dazu, einen Satz nach vorn zu machen, und versuchte, sie vom Ast herunterzuziehen. Sie zog ihren Fuß, der vom jahrelangen Barfußlaufen zäh war wie ein alter Stiefel, zurück und trat ihm vor den Kopf. Ihre Ferse traf ihn ins Gesicht, und er fiel rückwärts vom Pferd. Sie drehte sich um und wollte fortlaufen, doch aus den Augenwinkeln heraus sah sie, dass er völlig reglos dalag. Wie tot.
    Langsam schaute sie sich um. Während der Rotschimmel sich unruhig zur Seite bewegte, erkannte sie, dass der Mann mit geweiteten Augen und einem sonderbar verzerrten Gesichtsausdruck auf dem Rücken lag. Seine lange Nase war verkürzt wie die eines Schweins. Sie begriff, dass sie ihn direkt auf die Nase getreten hatte, dass der Knochen ihm wie ein Speer in das Hirn gedrungen war. Sie hatte ihn getötet.
    Sie hatte fliehen wollen, hatte geplant, wegzulaufen.
Doch in dem Augenblick, als er nach ihr gegriffen hatte, hatte ihre Vernunft sie im Stich gelassen, hatte der Instinkt sie regiert. Durch eine tief verwurzelte Weigerung, davonzulaufen, hatte sich ihr Bein wie aus eigenem Antrieb bewegt. Es war die Weigerung gewesen, sich Angst einflößen zu lassen und sich folglich unterwerfen zu müssen. Sie hatte nicht akzeptieren können, dass ein solcher Mann es wert war, sich vor ihm zu fürchten.
    Sie hoffte, dass die Leiche, wenn die Männer des Kriegsherrn sie fanden, so aussehen würde, als wäre der Blonde achtlos und schnell unter der Linde hindurchgeritten und von einem Ast im Gesicht getroffen worden, woraufhin das Pferd in den Wald gelaufen war. Würde es wie ein Unfall aussehen? Sie vermochte deren Reaktion nicht vorherzusagen, sodass sie mit einem Schulterzucken über ihre Sorge hinwegging.
    Sie hatte schon viele Lebewesen getötet - den Wolf, Kaninchen, Wiesel und Hermeline, Fische und Rehkitze. Das war etwas, das getan werden musste. Doch sie hatte es immer voller Absicht getan. Ohne Absicht zu töten, erschien … nun, es erschien ihr wie eine Verschwendung. Eine Verschwendung von was, wusste sie nicht recht. Des Lebens? Der Absicht? Es war etwas, das schwer zu erklären war, obschon sie es deutlich spüren konnte. Eine Verschwendung ihrer eigenen Seele? Sie war nicht im Stande, ihren Blick von seinem Gesicht zu wenden. Der Tod schien ihn von seiner Bosheit befreit zu haben; sein Gesicht hatte den verschlagenen Ausdruck verloren. Es fühlte sich sonderbar an, das Leben von jemandem unterbrochen zu haben, von dem sie nichts wusste, jemanden getötet zu haben, den sie gerade erst kennengelernt hatte, als benötige das Töten ein enges Verhältnis, eine tiefe Kenntnis des jeweils anderen, um es annehmbar zu machen.

    Sie zwang sich dazu, ihn nicht mehr anzuschauen. Sofort begriff sie, dass sie sich besser aus dem Staub machte, und zwar schleunigst.
    Ihr Herz raste, ihr Magen verkrampfte sich, und ihre Haut war kalt und schweißig. Angst oder die Hochstimmung der Flucht? Sie konnte es nicht sagen. Obwohl es sich so anfühlte wie Angst, hielt sie der gleiche Impuls, der ihren Fuß gegen sein Gesicht hatte treten lassen, nun davon ab, ihr rasendes Herz ängstlich zu nennen. Erregung, die Notwendigkeit, sich in Bewegung zu setzen, waren bessere Erklärungen.
    Sie glitt auf den breiten Rücken des Rotschimmels und nahm mit unbeholfenen Fingern die Zügel auf. An die Steigbügel gelangte sie nicht, und es erschien ihr irgendwie unhöflich, das Pferd einfach zu treten, sodass sie nur mit der Zunge schnalzte, wie es Pflüger bei Gespannpferden taten, worauf der Rotschimmel sich willig auf die Bäume zubewegte. Kaum war sie aufgesessen, verspürte sie den Wunsch, ihn zu behalten. Ihr war, als seien sie beide durch das Gefühl der Zusammengehörigkeit gegenüber dem Mann

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