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Die Prophezeiung des Adlers

Die Prophezeiung des Adlers

Titel: Die Prophezeiung des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Scarrow
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mit Kalk bestreute.
    Cato leerte den Weinbecher und blickte erneut auf den Bericht des Präfekten. Langsam trat ein Lächeln auf seine Lippen. Nun gut, wenn er es nicht wagen konnte, Vitellius’ Lügen seine eigene Darstellung hinzuzufügen, würde er den Bericht des Präfekten so ändern, dass er Vitellius von sich aus belastete. Cato beugte sich über den Schreibtisch, griff nach einigen frischen Wachstafeln und begann, den Bericht neu zu verfassen.
    Als sich eine Weile später die Dunkelheit über den Hafen herabsenkte, setzte er sich zurück und bewunderte sein Werk. Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Sollte Vitellius sich erst einmal wieder aus diesem Schlamassel herausarbeiten. Cato band die Wachstafeln mithilfe der gelochten Holzrahmen zusammen und schlug sie sorgfältig in die Verpackung aus Leinenstoff ein. Dann löschte er den Bericht auf den ursprünglichen Wachstafeln mit energischen Strichen seines Griffelendes. Zum Schluss erhitzte er etwas frisches Wachs und tropfte es auf das Päckchen, presste dann das ursprüngliche Siegel des Flottenpräfekten hinein und ließ es hart werden. Er untersuchte das Ergebnis sorgfältig und erhob sich dann mit einem zufriedenen Lächeln vom Tisch.
    Bevor er das Büro verließ, war Cato einen Augenblick lang in Versuchung, seine entschlüsselte Version des Berichts auf dem Schreibtisch liegen zu lassen, damit der Präfekt sie bei seiner Rückkehr entdeckte. Es war eine enorm befriedigende Vorstellung, Vitellius wissen zu lassen, dass er von dem Mann geschlagen worden war, den er hatte vernichten wollen. Cato spielte mit dem Gedanken, verwarf ihn dann aber mit einem Gefühl des Bedauerns. Er nahm den Griffel, erhitzte sein breites Ende über der Flamme der Öllampe, löschte seine Arbeit aus und vernichtete damit jeden Hinweis auf die entschlüsselte Nachricht. Vitellius würde früh genug erfahren, dass sein Plan durchkreuzt worden war. Sollte er ruhig unter der Ungewissheit leiden, wie es dazu gekommen war.
    Cato entriegelte die Tür und trat in das große Büro davor.
    »Du!« Er zeigte auf einen der Sekretäre, die noch an ihren Schreibtischen saßen. »Komm her!«
    »Jawohl, Herr.«
    »Bring diese Eilbotschaft zur Kurierstation. Sie soll sofort nach Rom befördert werden.«
    »Jawohl, Herr.«
    »Der Reiter soll durch das Seitentor beim Strand aufbrechen. Dann braucht er sich nicht mit dem Pöbel herumzuschlagen. Wegtreten!«
    Der Sekretär salutierte und eilte dann, das Päckchen mit beiden Händen umklammernd, aus dem Büro. Cato musste sich beherrschen, um die nervöse Erregung zu unterdrücken, die sich seiner bemächtigte. Sich vorzustellen, wie Vitellius begriff, dass er übers Ohr gehauen worden war, war ungemein anregend. Nun konnten nur noch die Götter seine Karriere und seinen Ruf retten.

KAPITEL 24
    C ato war noch immer gut gelaunt, als er den Marinestützpunkt nach Einbruch der Nacht durch einen schmalen Seiteneingang verließ. Es war kalt, und ein leichter Wind trieb einen feinen Nieselregen durch die Straßen. Cato schützte den Kopf mit der Kapuze seines Umhangs und zog unter dem Wollstoff die Schultern hoch. Von der Menschenmeute vor dem Haupttor waren kaum mehr hundert wütende und betrunkene Städter übrig, aber wozu sollte er sein Leben riskieren und sich zwischen ihnen zu den Gassen Ravennas durchkämpfen? Cato hatte die Uniform abgelegt und eine einfache Tunika, einen Matrosenumhang und billige Sandalen angezogen: die typische Tracht der Seeleute, die sich in den Straßen des Hafenviertels drängten. Er umging den Kai und drang in das verschlungene Netz von Durchgangsstraßen und schmalen Gassen im heruntergekommensten Teil des Hafenviertels ein.
    Die Straße, an der der Tanzende Delfin lag, war diesmal viel ruhiger als bei Catos letztem Besuch. Die Marineinfanteristen undMatrosen hatten für die zahllosen Schenken und Bordelle des Stadtteils die Hauptkundschaft dargestellt. Unbeschäftigte Prostituierte saßen mit verdrossenen Mienen in Nischen, deren Vorhänge zurückgezogen waren, legten aber sofort ein angestrengt verführerisches Lächeln auf, als sie Cato auf der Straße näher kommen sahen. Er weigerte sich, ihren Blicken zu begegnen oder auf ihre eindeutigen sexuellen Avancen einzugehen, als er mit gesenktem Kopf an ihnen vorbeimarschierte.
    Als Cato den Tanzenden Delfin betrat, waren dort nur eine Handvoll Gäste. Er behielt seine Kapuze zunächst noch oben und blickte sich um. Das einzige Gesicht, das er erkannte,

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