Die Prophezeiung des Adlers
dein Vater wohl gehen würde, um dich zurückzuerhalten.«
Ajax spie Blut auf den Boden. »Lieber sterbe ich!«
»Das glaube ich dir. Aber möchte auch er, dass du lieber stirbst? Das ist die Frage.« Vitellius ging zur Zeltwand, entrollte eine Karte und fuhr mit dem Finger die dunkle Linie entlang, die die Küstenlinie darstellte. Schließlich fand er den Ort. »Vectis terra, sagst du … Hmm, das glaube ich kaum. Das liegt zu weit von den Handelsrouten entfernt. Eure Schiffe müssten tagelang segeln, um euer Beutegebiet zu erreichen.« Er wandte sich um und kicherte. »Netter Versuch, mein guter Ajax. Ich wusste, dass du beim ersten Mal lügen würdest. Und jetzt möchte ich die Wahrheit hören, wenn du die Güte hättest.«
Der Gefangene ließ verzweifelt den Kopf hängen, als der Präfekt wieder zu ihm trat.
»Komm schon, Ajax. Wir werden dich dazu bringen, uns die Wahrheit zu sagen, wie lang auch immer es dauern mag. Die einzige Frage, die du dir selbst beantworten musst, ist, wie viel Schmerz du ertragen möchtest, bis du uns alles verrätst. Wenn du mit uns kooperierst, gebe ich dir mein Wort, dass du am Leben bleiben wirst. Wenn du aber bei deinem dummen und sinnlosen Versuch bleibst, Widerstand zu leisten, werden wir dir entsetzliche Folterqualen bereiten, bis du dann doch mit der Wahrheit herausrückst. Und dann gibt es nur noch den Tod für dich.«
Vitellius streckte die Hand nach unten aus und hob das Kinn des Piraten an. »Du siehst also, junger Mann, das einzig Vernünftige ist, einzusehen, dass du uns ohnehin erzählen wirst, was wir wissen müssen. Jetzt oder später, das spielt keine Rolle. Aber du wirst es uns sagen … Trebius!«
»Jawohl, Herr!«
»Bist du bereit?«
»Jawohl, Herr.«
»Dann mach dich also wieder an die Arbeit.«
Ajax starrte den Verhörspezialisten voll Entsetzen an. Dann presste er die Augen einen Augenblick lang fest zusammen und flüsterte: »Petrapylae … «
Vitellius lächelte und tätschelte ihm den Kopf. »Guter Junge.«
Der Präfekt kehrte zur Karte zurück und nahm sie genau in Augenschein. Nach einer Weile richtete er sich auf und wandte sich mit wütender Miene erneut an den Gefangenen. »Es gibt keinen solchen Ort. Und jetzt sag mir die Wahrheit, oder … «
Cato trat zwischen sie. »Herr, dies ist eine von unseren Seekarten.«
Vitellius starrte ihn wütend an. »Ja und?«
»Seine Muttersprache ist Griechisch. Petrapylae – Felsentore oder etwas in der Art. Darf ich die Karte bitte einmal sehen, Herr?«
Vitellius winkte. »Nur zu.«
Cato strich die Karte glatt und konzentrierte sich. Dann tippte er triumphierend mit dem Finger auf das Pergament. »Hier. Das scheint es zu sein. Die Steintore.«
»Lass sehen!« Vitellius eilte herbei, schaute auf die Stelle, auf die Cato zeigte, und nickte. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Das muss es sein.«
»Das ergibt Sinn, Herr. Es liegt abseits der Handelsrouten. Dort befindet sich eine aufgegebene griechische Kolonie, und auf allen Seiten ragen Berge auf. Der Eingang wirkt so schmal, dass man ihn wohl gut verteidigen kann.« Er zuckte mit den Schultern. »Natürlich gibt es auf diesem Küstenabschnitt massenhaft Orte, die ebenso gut infrage kommen.«
Vitellius blickte sich nach hinten um. »Und was, wenn er lügt?«
»Wir lassen ihn am Leben, bis wir die Gegend ausgekundschaftet haben, Herr. Sollte er versuchen, uns in die Irre zu führen, können wir ihn ja wieder verhören.«
»Das stimmt. Aber da ist noch etwas.« Vitellius kehrte zu Ajax zurück. »Die Schriftrollen. Werden sie dort aufbewahrt?«
Ajax zögerte kurz und nickte dann. Vitellius starrte den Gefangenen einen Moment an und wandte den Blick dann zu Cato und Macro. »Ihr glaubt ihm?«
Macro zuckte mit den Schultern. »Es scheint der naheliegendste Ort, Herr. Wir haben ja genug Schwierigkeiten damit, ihre Schiffe zu finden, und Telemachos wird die Rollen an einem Ort wissen wollen, wo er sie im Auge behalten und verteidigen kann. Falls sie so wertvoll sind, wie es heißt.«
»Wertvoll?«, meinte Vitellius von oben herab. »Sie sind mehr als das, Centurio. Ihr Wert ist tatsächlich unermesslich.«
Bevor einer der Centurionen weiter nachhaken konnte, ging die Zeltklappe auf, und einer der Leibwächter des Präfekten streckte den Kopf herein. Beim Anblick des blutig geschlagenen Gefangenen zog er leicht die Augenbrauen hoch.
»Was ist?«, fuhr Vitellius ihn an.
»Ich bitte um Vergebung, Herr, aber vom Meer her nähert sich ein
Weitere Kostenlose Bücher