Die Prophezeiung des Adlers
Schiff.«
»Ein Schiff? Was für eine Art von Schiff?«
»Es sieht aus wie ein Schnellsegler, Herr. Klein, aber flink.«
»Und es ist auf dem Weg hierher, sagst du?«
»Jawohl, Herr. Genau hierher.«
Vitellius sah Ajax kurz an und traf eine Entscheidung. »Den können wir uns aufheben. Cato, Macro, überbringt den Befehl an den ranghöchsten diensttuenden Offizier. Er soll zwei Centurien in Bereitschaft versetzen. Und alarmiert die Artilleriemannschaften. Sie sollen sich bereithalten, das Schiff notfalls unter Beschuss zu nehmen, sobald es in Reichweite ist. Ich komme gleich selbst.«
Sie salutierten und schlüpften aus dem Zelt. Vitellius wandte sich dem Verhörspezialisten zu. »Nun gut, nur noch ein paar wenige letzte Fragen … «
Vor dem Hauptquartierszelt hatten Cato und Macro gute Sicht den Hang hinunter auf den Befestigungswall und den Strand dahinter. Die Sonne strahlte grell, und beim Hinausspähen aufs Meer mussten sie die Augen blinzelnd mit der Hand beschirmen. Weit draußen erkannten sie das kleine Schiff nur als verschwommene Silhouette. Sein Lateinsegel war zur einen Seite gesetzt, und so lief es vor dem Wind. Sie marschierten zum Strand hinunter und überbrachten den Befehl des Präfekten, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem näher kommenden Schiff zuwandten.
»Also, wer beim Hades mag das sein?«, fragte Macro.
Cato zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Wer immer es ist, scheint es verdammt eilig zu haben, hierherzukommen. Ein Bote des Kaisers, oder was?«, fragte Macro sich laut.
Cato gefror das Blut in den Adern, als er sich die Eilbotschaft in Erinnerung rief, die er nach Rom geschickt hatte. Er hörte Kiesel knirschen und spürte plötzlich, dass der Blick des Präfekten auf ihn fiel, zwang sich aber, still stehen zu bleiben, und widerstand der Versuchung, sich zu Vitellius umzudrehen. Stattdessen konzentrierte er sich auf das Segelschiff, doch dann sprang ihm in der Ferne, auf der hohen Landspitze am Rande der Bucht, eine Bewegung ins Auge. Dort zeichnete sich vor dem westlichen Himmel dunkel eine Reihe von Kreuzen ab. An jedem hing eine winzige Gestalt. Noch während er zuschaute, wurde das letzte Kreuz mit einem sich an den Holzarmen windenden Mann aufgerichtet.
Cato unterdrückte einen Schauder der Angst. Falls Vitellius entdeckte, dass Cato seine Eilbotschaft geöffnet hatte, hatte der Centurio die besten Aussichten, das Schicksal der Piraten zu teilen, die über der Bucht ans Kreuz geschlagen worden waren.
KAPITEL 30
D as kleine Schiff behielt seinen Kurs bei und segelte in die Bucht ein, als die Sonne sich dem Horizont näherte. Vom Strand aus konnte Cato eine Gruppe von Menschen an Deck ausmachen. Das schräg einfallende Sonnenlicht legte sich auf rote Umhänge und brach sich schimmernd in glänzenden Rüstungen.
Macro, der neben Cato stand, brummte: »Sieht aus wie ein paar ganz hohe Tiere. Was die wohl hier machen?«
Beide wandten sich zu Präfekt Vitellius um, der ein kleines Stück entfernt stand und mit nervöser Miene zu dem heransegelnden Schiff schaute. Macro beugte sich zu seinem Freund vor.
»Ob das wohl irgendwas mit dem Bericht zu tun hat, den er nach Rom geschickt hat? Was meinst du?«
Cato bemühte sich, so natürlich wie möglich zu antworten. »Ich habe wirklich keine Ahnung. Wir müssen es abwarten.«
Macro sah ihn einen Augenblick neugierig an. Dann blickte er sich um, um sicherzugehen, dass kein anderer ihn hörte, und fragte leise: »Cato, weiß du irgendwas darüber?«
»Worüber?«
»Jetzt verarsch mich mal nicht, Junge. Ich kenne dich doch.«
Ganz kurz war Cato in Versuchung, seiner Angst Luft zu verschaffen. Aber er würde die Gefahr, in der Macro sich ohnehin schon befand, nicht noch zusätzlich vergrößern. Zumindest so viel war er ihm schuldig.
»Tut mir leid. Es gibt nichts zu sagen.«
Macro sah seinen jungen Freund aufmerksam an und war nicht überzeugt. »Nichts, was du mir freiwillig sagen würdest, meinst du wohl. Na gut, dann sei halt ein verdammter Sturkopf und behalte es für dich. Wie immer … « Der Veteran klopfte Cato freundlich auf die Schulter. »Aber sei vorsichtig, ja?«
Macro trat näher zum Strand und schaute auf das Schiff, das die Segel eingeholt hatte. Auf beiden Seiten wurden zwei lange Riemen herausgeschoben, und die Besatzung ruderte die verbliebene Strecke bis zum Strand. Im letzten Augenblick wurden die Riemen eingezogen, und die Matrosen drehten sie um, um das Schiff durchs flache Wasser zu
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