Die Prophezeiung des Adlers
staken. Eine kleine Welle trug den Bug auf den Kiesstrand, wo er mit einem Knirschen liegen blieb. Die Männer am Heck des Schiffs stapften nach vorn und kletterten über den Bug an Land. Es waren sechs Personen, überwiegend junge Stabsoffiziere; zweifellos Aristokraten am Anfang ihrer militärischen Lehrzeit. Etwas hinter ihnen ging ein älterer Mann, der eine schlichte Tunika und einen dicken Militärumhang trug. Cato und Macro erkannten ihn sofort und blickten einander überrascht an.
»Vespasian?« Macro schüttelte den Kopf. »Was beim Hades macht denn der hier?«
Cato hatte keine Ahnung. Er war ebenso überrascht wie sein Freund, ihren alten Kommandanten wiederzusehen. Das letzte Mal lag eine halbe Ewigkeit zurück. Seinerzeit hatten sie den Legaten auf dem Rückweg von Britannien begleitet. Cato und Macro drehten sich um und warfen einen Blick auf Vitellius. Vor zwei Jahren hatte der Präfekt als Tribun unter Vespasian gedient, und zwischen beiden hatte eine erbitterte Rivalität geherrscht.
Vitellius holte scharf Luft und gab den Offizieren an seiner Seite einen Wink. »Folgt mir!«
Die Gruppe der Flottenoffiziere marschierte den Neuankömmlingen über den Strand entgegen, während Vespasian und seine Tribune sie ein paar Schritte oberhalb des Meeressaums erwarteten.
»Herr!«, rief Vitellius mit einem gezwungenen Lächeln aus. »Was führt dich her?«
Vespasian streckte mit ebenso geheuchelter Herzlichkeit die Hand aus, und die beiden Offiziere umfassten sich bei den Armen. »Der Kaiserliche Sekretär schickt mich. Meine Stabsoffiziere stelle ich dir später vor. Aber erst müssen wir uns unterhalten. Narcissus möchte gerne wissen, welche Fortschritte die Operation macht.«
Vitellius runzelte die Stirn. »Aber ich habe ihm doch einen Bericht geschickt. Er muss ihn schon vor mehreren Tagen erhalten haben. Es sei denn … « Er blickte sich nach Cato um.
»Der Bericht ist tatsächlich eingetroffen«, erklärte Vespasian. »Narcissus dankt dir dafür, aber angesichts der, äh, komplizierten Lage wollte er jemanden schicken, der deine Fortschritte selbst in Augenschein nimmt. Da wir schon früher zusammen gedient haben, hat Narcissus mir diesen Auftrag erteilt.« Vespasian lächelte. »Also bin gekommen, nicht aus eigenem Willen.«
»Ich verstehe.«
»Bei der Einfahrt in die Bucht habe ich feststellen können, dass du nun doch wenigstens einen gewissen Erfolg errungen hast.« Vespasian drehte sich um und zeigte auf die Landspitze.
»Das? Meine Männer haben den Piraten eine Falle gestellt. Wir haben drei ihrer Schiffe erobert und ein paar Gefangene gemacht, darunter einen Mann, der ihrem Anführer Telemachos nahesteht. Den habe ich gerade verhört, als ich die Nachricht von eurem Kommen erhielt. Die übrigen Gefangenen habe ich hinrichten lassen, als Warnung für die Piraten und zur Ermutigung unserer eigenen Leute.«
»Eine Warnung für die Piraten?«, fragte Vespasian nachdenklich. »Dann müssen sie also in der Nähe sein?«
»Sie halten uns unter Beobachtung«, räumte Vitellius argwöhnisch ein.
»Wirklich? Nun, lass uns keine Zeit verschwenden«, fuhr Vespasian in weniger ernstem Tonfall fort. »Es war eine lange und anstrengende Reise. Meine Tribune und ich könnten eine kleine Erfrischung vertragen.«
»Natürlich.« Vitellius wandte sich zu einem seiner Stabsoffiziere um. »Lauf in mein Quartier zurück. Ich möchte, dass ein Zelt hergerichtet wird. Tischt Essen und Wein für alle hochrangigen Offiziere und unsere Gäste auf. Wegtreten.«
Während der Mann davoneilte, ließ Vespasian den Blick über die Befestigungen entlang des Strands und die Flotte schweifen, deren Schiffe entweder in der Bucht ankerten oder auf dem Kies lagen. »Du hast das Lager gut geschützt. Das hier wirkt wie ein ausgezeichneter Stützpunkt für Operationen.«
Vitellius neigte höflich dankend den Kopf.
»Ist es dir recht, wenn mein Stab und ich uns ein wenig umschauen, bevor wir deine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen? So haben deine Leute Gelegenheit, die nötigen Vorkehrungen zu treffen.« Vespasian lächelte.
»Natürlich. Ich würde dich gerne … «
Vespasian unterbrach den Präfekten mit erhobener Hand. »Ich habe dir schon genug Umstände bereitet.« Er blickte sich nach Vitellius’ Offizieren um und wählte dann Cato aus. »Centurio Cato! Schön, dich wiederzusehen. Wärest du vielleicht so freundlich, unseren Führer zu machen?«
»Es wäre mir eine Ehre, Herr.«
»Danke. Präfekt Vitellius,
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