Die Prophezeiung des Adlers
dem die Piraten einen kostbaren Augenblick lang zurückzuckten, bevor die Kräfte aufeinanderprallten. Doch es waren, wie Macro bemerkte, bereits merklich weniger Gegner, und wer von ihnen noch kämpfen konnte, wirkte erschöpft. Während die in die Minderzahl geratenen Piraten vom Deck der Bireme gefegt wurden, rief Macro nach seinem Panzer, und der Sanitäter half ihm in seine Schuppenweste und schnallte den Harnisch darüber. Macro setzte sich das Kopfpolster auf und schnürte den Helm darüber fest. Mit dem vertrauten Gewicht seiner Ausrüstung war ihm gleich viel wohler zumute.
»Belaste dich nicht zu sehr, Herr«, riet ihm der Sanitäter. »Deine Wunde braucht Ruhe, sonst fängt sie wieder an zu bluten.«
»Dann melde ich mich jetzt am besten ein paar Tage krank, oder?« Macro blickte den Mann gereizt an, drehte sich zur nächsten Enterleine um und kletterte mühsam auf das feindliche Deck. Man sah sofort, dass der Kampf um dieses Schiff hart und blutig gewesen war. Es lagen zahlreiche Leichen herum, und viele von ihnen waren Marineinfanteristen, wie Macro beunruhigt feststellte. Aber wenigstens befand sich das Schiff in römischer Hand. Macro hielt nach dem Kommandanten des anderen siegreichen Schiffs Ausschau und entdeckte Centurio Minucius, der gerade seine Klinge an der Tunika eines toten Piraten abwischte. Minucius war als alter Kämpe für die Mission ausgewählt worden, denn er war zäh und zuverlässig. Trotz ihrer persönlichen Differenzen hatte Macro nichts gegen seine Teilnahme einzuwenden gehabt.
»Minucius. Komm her.«
Der Centurio eilte zu Macro und zeigte auf die Spuren des Gemetzels an Bord. »Sieht so aus, als hätten sie endlich Geschmack an einem richtigen Kampf gefunden.«
Macro nickte. Der anfängliche Schreck der überrumpelten Piraten war gewichen, und nun erholten sie sich rasch. Da sie inzwischen eine klare Vorstellung hatten, wie klein Macros Kräfte in Wirklichkeit waren, würde es nicht lange dauern, bis sie zum Angriff übergingen. Eines der Piratenschiffe, die der Aufmerksamkeit des Überfallkommandos entgangen waren, hatte bereits den Anker gelichtet und ruderte an Steuerbord rückwärts. So kam der Bug herum und richtete sich auf das Getümmel von Kriegsschiffen am anderen Ende des Ankerplatzes aus. Bald würden sich ihm noch weitere Schiffe anschließen, auf deren Decks es bereits von Männern wimmelte.
Minucius folgte Macros Blickrichtung und schaute sich dann nach der Landspitze um. Aber das Meer lag ruhig und leer da, vom Rest der Flotte war nichts zu sehen.
»Mach dir keine großen Hoffnungen«, meinte Macro ruhig. »Sie werden noch mindestens eine Stunde auf sich warten lassen.«
»Ich weiß.« Minucius lächelte süßsauer. »Die Frage ist nur, ob wir in einer Stunde noch da sind.«
KAPITEL 38
W ie steht es für unsere Seite?«, fragte Secunduskeuchend.
Sie hatten den Abstieg vom Berg begonnen, sobald die fünf Schiffe die Piratenflotte angegriffen hatten. Die Überraschung über die Entwicklung der Ereignisse dauerte nur ganz kurz, und dann begriff Cato, was geschah. Der Centurio und der kaiserliche Beauftragte kletterten jetzt den steilen Pfad so rasch wie möglich hinunter. Loses Geröll machte den Abstieg schwierig und gefährlich, und Cato, der dem älteren Mann half, kochte vor Ungeduld und Sorge, weil sie so langsam vorankamen. Jede Meile mussten sie für eine kurze Pause haltmachen. Cato spähte dann jedes Mal auf die Bucht hinaus, um die in der Ferne tobende Schlacht zu verfolgen. Kein Geräusch drang zu ihnen herauf, während die kleinen Gestalten auf den Schiffen hin und her rannten wie Ameisen, die auf einem Kinderspielzeug herumkrabbeln.
»Cato, wie steht es?«, fragte Secundus erneut.
Cato lehnte an einem Felsen und beschattete beim Blick auf die Bucht die Augen mit beiden Händen. »Von hier oben ist das schwer zu erkennen. Mehrere Schiffe stehen in Flammen. Eines scheint das Ankertau durchschnitten zu haben und treibt auf die Klippen zu. Einige Schiffe liegen längsseits nebeneinander, und ich sehe, dass dort gekämpft wird. Aber ich kann nicht sagen, wer die Oberhand hat. Ich kann noch nicht einmal mehr erkennen, welche Seite die unsere ist.«
Secundus schüttelte den Kopf. »Was denkt sich euer Präfekt eigentlich dabei, fünf Schiffe gegen die Piraten loszuschicken? Das ist doch ein Selbstmordkommando.«
»Nun, das glaube ich nicht«, entgegnete Cato. »Es wäre nicht Vespasians Stil. Folglich muss es sich hier um eine Art
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