Die Prophezeiung des Adlers
Wagenrennen wegwerfen?«
»Wegwerfen, das ist etwas für Trottel. Wir aber setzen auf einen sicheren Tipp.«
»Nein. Du bist ein unverbesserlicher Optimist. Ich dagegen bin Realist. Wenn wir das Geld bei einem Rennen verwetten, können wir es ebenso gut einfach weggeben.«
Macro schlug mit der Hand auf den Tisch, sodass die Becher tanzten. »Ach, komm schon, Cato! Das bisschen, was wir noch haben, ist ohnehin schon so gut wie weg. Wenn der Tipp irgendetwas wert ist, sollten wir uns um eine vernünftige Quote bemühen, und wer weiß, wenn wir die Wette gewinnen, können wir die Wölfe noch eine Weile von uns abhalten. Was haben wir schon zu verlieren?«
»Abgesehen von unserem Verstand?«
Macro sah ihn wütend an. »Vertrau dich doch nur ein einziges Mal dem Schicksal an und schau, was passiert.«
Cato dachte kurz darüber nach. Macro hatte recht, er hatte so ziemlich alles in seinem Leben verloren, und selbst Letzteres war fast mit Sicherheit verwirkt. Warum sollte er sich also wegen ein paar Münzen Sorgen machen? Die Antwort des Generals würde aus Britannien eintreffen, bevor die Schlägertypen des Vermieters ihn wegen des Rückstands an die Wand nageln konnten. Da genoss er sein Leben besser ein bisschen, solange das noch möglich war.
»Na gut, gehen wir.«
Als sie sich schließlich unter dem riesigen Torbogen eines der öffentlichen Eingänge zum Circus Maximus hindurchgedrängt hatten, waren in dem für die Armee reservierten Abschnitt nur noch einige wenige Plätze frei. Die meisten Steinbänke waren von Prätorianern besetzt, die eifrig aus Weinschläuchen tranken und Wetten abschlossen. Hie und da waren kleine Gruppen von Legionären versammelt – Männer, die Urlaub hatten oder wie Cato und Macro darauf warteten, dass sie wieder abkommandiert wurden. Außerdem waren viele ehemalige Soldaten da, die nach dem Ende ihrer Dienstzeit oder wegen Invalidität die Legion verlassen hatten und ihr Recht als Veteranen nutzten.
Kaiser Claudius hatte in einem klugen Schachzug die Sitzordnung verändert, sodass die Prätorianer nun zu beiden Seiten und hinter der großen Kaiserloge saßen. Die Senatoren waren zu ihrem großen Leidwesen weiter weggerückt und machten es sich nun auf ihren Bänken bequem. Dort wurden sie von ihren Sklaven bedient, die ihnen heißen Wein in kleinen Kelchen servierten. Dahinter erkannte Cato den für die Vestalinnen abgegrenzten Bereich, die beengteren Sitzplätze, die für die geringeren Adligen reserviert waren, und dann die Reihen, wo die einfachen Bürger sich drängten. Darüber saßen auf den hintersten Bänken die freigelassenen Sklaven, die Fremden und die unverheirateten Frauen, von denen viele offensichtlich ihrem Gewerbe nachgingen. Macro folgte Catos Blick.
»Vergiss es. Du kannst sie dir nicht leisten. Es sei denn, dieser Nepos bewährt sich.«
Cato lenkte den Blick zu der riesigen freien Fläche hinunter, wo sich die Rennbahn erstreckte. Mehrere für die Rennen verantwortliche Beamte gingen zur Mittelinsel hinüber, während um sie herum Dutzende von Sklaven den Sand als letzte Vorbereitung für das erste Rennen glatt rechten. Die Helfer der Priester rollten einen Käfig mit makellos weißen Ziegen zum Opferaltar in der Mitte der Insel, der der Kaiserloge direkt gegenüberstand.
Überall in der Arena verkauften die üblichen Straßenhändler Leckereien, Kissen und bunte Schultertücher für die Anhänger der jeweiligen Rennmannschaften. Zwischen ihnen streiften die Buchmacher herum, immer in Begleitung von ein oder zwei Leibwächtern, die für die Sicherheit des Geldes sorgten. Macro schluckte nervös, stand auf und trat zum Nächststehenden von ihnen, der ein Bündel zusammengebundener Wachstafeln in Händen hielt. Hinter ihm drückten sich zwei riesige Männer herum, die nach Art der meisten Ex-Gladiatoren schrecklich zernarbt waren. Jeder der beiden trug eine Geldkassette an einem Riemen um die Schultern und hielt einen dicken Holzknüppel in der Hand.
»Lass mich raten«, sagte der Buchmacher lächelnd, musterte Macro prüfend und kalkulierte, was er wohl springen lassen würde. »Du wirst eine Goldmünze auf Porcius’ Sieg setzen.«
»Hm, nein.« Macro spürte, wie er vor Verlegenheit rot wurde. Er blickte sich um und fuhr leise fort: »Fünf Denarii auf Nepos’ Sieg.«
»Fünf Denarii?« Der Buchmacher blickte enttäuscht drein. Er änderte sein Urteil über den Centurio rasch und fragte sarkastisch: »Bist du sicher, dass du dir das leisten
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