Die Prophezeiung des Adlers
blumige Danksagung an den Sponsor der Rennen, in diesem Fall Claudius selbst. Der Kaiser klopfte ungeduldig mit dem Fuß, während er versuchte, den Blick des Redners einzufangen, und wenn ihm dies gelang, machte er eine kurze, abwinkende Geste mit der Hand, um die Sache zu beschleunigen. Die Menge bejubelte jede Rede höflich, und als dann der letzte Redner vom Podium auf der Insel herabgestiegen war, reckten die Zuschauer erwartungsvoll die Hälse nach der Reihe von Toren am hinteren Ende der Arena.
Es folgte ein Moment stummer Erwartung. Dann ertönten schrille Trompetenstöße, die Tore schwangen nach innen auf und gaben den Blick auf die dunklen Gänge frei, die nach hinten zu den Stallungen führten. Im Schatten entstand Bewegung, und dann barsten die Wagengespanne aus den Gängen hervor auf die Sandbahn der Arena. Die Menge sprang auf und schrie vor Erregung. Langsam gingen die Zurufe in rivalisierende Anfeuerungsgesänge für die jeweiligen Gespanne über – oder in vulgäre Verunglimpfungen der Gegner. Die meisten Prätorianer standen eindeutig auf Seiten der Blauen und brüllten Porcius’ Namen, als er sein Gespann an der Kaiserloge vorbeilenkte und Kaiser Claudius grüßte.
»Hoffentlich verliert der Bastard«, meinte Macro leise. Dann blickte er sich nervös um und holte tief Atem. »Los, los, Porcius!«
Cato zog eine Augenbraue hoch und fing den Blick seines Freundes ein. Macro zuckte mit den Schultern. »Ich will nur nicht auffallen. Es macht keinen Sinn, einen Streit vom Zaun zu brechen.«
Die Gespanne fuhren eine Runde und hielten dann in einer Reihe unmittelbar vor dem Kaiser. Die Mannschaften versammelten sich um die zweirädrigen Wagen, legten letzte Hand an die Geschirre der Pferde und schmierten die Achsen nochmals mit Fett ein. Die Wagenlenker überprüften ihre Zügel und vergewisserten sich, dass die rasiermesserscharfen Notfallmesser sicher in ihren Scheiden steckten. Jeder Wagenlenker trug eine kurze, ärmellose Tunika in der Farbe seiner Mannschaft, und der leichte Beinschutz wies ebenfalls diese Farbe auf.
Macro konzentrierte sich ganz auf Nepos, einen drahtigen Mann mit dunklem Teint. Nepos stand in seiner grünen Tunika aufrecht und reglos da. Zu reglos für Macros Geschmack, fast, als wäre er zu verschreckt, um sich zu bewegen. Oder vielleicht hatte er auch einfach nur Nerven wie Drahtseile. Das konnte Macro ihm nur raten.
Nachdem die Vorbereitungen abgeschlossen waren, zogen die Mannschaften sich von der Rennbahn zurück, und die Wagenlenker legten sich mit aller Gewalt in die Zügel und hielten ihre Gespanne zurück. Die Tiere waren darauf trainiert, im Galopp loszustürmen, und stießen nervös gegeneinander. Ihre Nüstern waren gebläht, ihre mächtigen Flanken arbeiteten.
Für einen Augenblick vergaß Cato alle seine Sorgen, rutschte bis zur Sitzkante nach vorn und starrte auf die vier Wagengespanne, die in äußerster Anspannung dastanden, bereit, entfesselt loszustürmen. Der Kaiser nickte dem Rennmeister zu, und dieser stieg auf das Podium vor der Kaiserloge. Er hatte eine kleine Fahne dabei, die er sorgfältig entrollte und langsam hob, bis sein Arm ausgestreckt war. Alle Augen der Zehntausenden von Zuschauern hingen an ihm, und abgesehen vom Schnauben der Pferde war kein Laut zu hören. Der Rennmeister wartete, bis die Gespanne bestmöglich auf einer Höhe waren. Dann fuhr er mit der Hand nach unten, und die Fahne schoss flatternd herab. Sofort schrie die Menge auf. Die Wagenlenker schnalzten mit den Zügeln, und die Pferde rissen die Streitwagen, Staubfahnen aufwirbelnd, vorwärts. Das Rennen hatte begonnen.
Getreu seinem Ruf schaffte Porcius es irgendwie, seinem Gespann eine besondere Kraftanstrengung abzunötigen, und auf der ersten Längsbahn hatte es sich ein kleines Stück vorgeschoben. Als die Streitwagen zwischen aufstiebenden Sandwolken um das Ende der Insel schlitterten und dann für kurze Zeit außer Sicht verschwanden, hatten die Blauen die anderen Gespanne gerade hinter sich gelassen. Die Zuschauer um Cato herum, die Porcius angefeuert hatten, verstummten und wendeten den Blick gespannt zum anderen Ende der Insel, wo die Streitwagen wieder auftauchen mussten. Sand spritzte auf, bevor der erste Wagen in Sicht kam, und die Prätorianer sprangen entzückt auf und jubelten Porcius zu. Unmittelbar hinter ihm fuhr Nepos, und Macro schaffte es nur mit knapper Not, einen entzückten Schrei zu unterdrücken, weil Nepos noch immer Chancen hatte. Mit verzweifeltem
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