Die Prophezeiung des Adlers
Kommentaren schnappten Informanten auf und meldeten sie für eine kleine Belohnung bei der entsprechenden Stelle im Palast. Dann trat einem auf einmal nachts eine Truppe Prätorianer die Tür ein und schleppte einen auf Nimmerwiedersehen fort. Zum Glück verloren sich Macros unkluge Worte im ohrenbetäubenden Jubel der Menge, und Cato entspannte sich.
Dann sah er, dass noch ein weiterer Mann die Kaiserloge betrat: mager, mit dunklem Haar und einer schlichten weißen Toga. Claudius winkte den Neuankömmling mit einem Lächeln heran und deutete auf einen Platz unmittelbar unterhalb seines Podiums. Cato spürte, wie Macro ihm die Hand trichterförmig ans Ohr legte, während er mit der anderen Hand zur Loge zeigte.
»Hast du gesehen, wer da gerade gekommen ist?«
Cato nickte. »Unser Freund, der Kaiserliche Sekretär.«
»Meinst du, Narcissus weiß, dass wir wieder in Rom sind?«
»Falls er nicht schon Bescheid weiß, wird er bald informiert sein.«
»Dann haben wir ein Problem. Dieser Drecksack hat General Plautius überredet, unsere Kohorte zu dezimieren.«
»Ich erinnere mich daran. Es wird ihn nicht freuen, dass ich noch am Leben bin.«
Cato fühlte Angst in sich aufsteigen, als er über die Köpfe der Menge hinweg zu Narcissus blickte. Nicht viel entging der Aufmerksamkeit dieses Mannes, der die Geheimpolizei des Kaisers kontrollierte, etwaige Bedrohungen abwehrte, aber auch im Namen des Kaisers als Gönner auftrat. Falls erwirklich wusste, dass Cato in der Stadt war, würde er mit Sicherheit so bald wie möglich alle Probleme beseitigen wollen, vorzugsweise durch diskretes Erwürgen in einer dunklen, vergessenen Gefängniszelle. Doch es gab noch immer eine minimale Chance, dass Macro und er dem wachsamen Blick Narcissus’ bis jetzt entgangen waren.
Genau in diesem Augenblick drehte Narcissus sich auf seinem Platz um, ließ die Augen über die Menge wandern, und bevor Cato reagieren konnte, verharrte sein Blick in Richtung der beiden Centurionen. Cato spürte einen eisigen Klumpen im Magen. Es dauerte nur einen Augenblick, dann ließ Cato sich auf seiner Bank zusammensacken und verschwand aus Narcissus’ Blickfeld.
»Verdammt!«, knurrte Cato. »Verdammt … verdammt … verdammt.«
Macro ließ sich neben ihm niederfallen, erschreckt durch die plötzlich veränderte Miene seines Freundes. »Was ist denn los?«
»Er hat uns gesehen. Narcissus hat mich gesehen.«
»Quatsch. Wie soll das möglich sein? Wir sind doch einfach nur zwei Gesichter unter Tausenden. Unmöglich kann er … «
»Ich sage dir, er hat mich gesehen!« Cato meinte geradezu zu spüren, wie die groben Hände der Prätorianer ihn packten, denn Narcissus würde sie mit Sicherheit losschicken, um ihn festzunehmen. Bald wäre alles vorbei.
Macro stand langsam auf, warf einen Blick auf die Kaiserloge und duckte sich wieder neben seinen Freund. »Er schaut ja nicht einmal her. Plaudert einfach nur mit dem Kaiser. Sonst nichts. Er kann dich nicht gesehen haben. Entspann dich!«
Der Jubel verstummte rasch, als die Priester die Opfer zur Eröffnung der Wagenrennen vorbereiteten. Zwei Helfer zerrten eines der weißen Zicklein aus dem Käfig, hielten das zappelnde Tier an den Beinen fest, trugen es die Stufen zum Altar hoch und drückten es auf dem schimmernden Marmor nach unten. Der Singsang des obersten Priesters war gerade noch über die Rennbahn hinweg zu hören. Er rief den Segen Jupiters, des Großen und Guten, auf Kaiser Claudius, seine Familie, den Senat, das Volk Roms und die Wagenlenker herab. Dann erhob er seinen gebogenen Dolch mit im Sonnenlicht blitzender Klinge über dem meckernden Zicklein, hielt einen Augenblick lang inne, und stach dann nach unten. Das Meckern brach unvermittelt ab. Der Priester beugte sich kurz über den zuckenden Kadaver und bearbeitete den Bauch mit dem Dolch. Dann brachte er die purpurfarben und rot schimmernde Leber zum Vorschein, die in der kühlen Luft leicht dampfte. Er beugte sich über das Organ und untersuchte es genau, rief dann einen Kollegen herbei, der die Leber ebenfalls begutachtete und mit ihm debattierte. Plötzlich hob der Priester das Organ hoch, zum Zeichen, dass Jupiter das Opfer angenommen hatte und die Rennen beginnen konnten. Die Erleichterung nach der Anspannung machte sich in lautem Gebrüll der Menge Luft. Macro schlug sich die Hände auf die Knie und lachte wie ein kleiner Junge.
Die frommen Reden der Ältesten des Senats wurden so kurz wie möglich gehalten. Es war die übliche
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