Die Prophezeiung des Adlers
großer Enttäuschung niemand zurück.
Am vierten Tag nach ihrem Aufbruch aus Rom erreichte die Kolonne die ersten Ausläufer der Apenninen und überquerte reißende Flüsse, die in den Oberlauf des Tiber mündeten. Von dort schlängelte sich die Straße zur Stadt Hispellum hinauf. Die Villen der Reichen waren in dieser Jahreszeit unbewohnt und würden erst wieder bezogen werden, wenn die Sommerhitze ihre Besitzer in die kühle Bergluft trieb. Daher war es auf den Straßen ruhig, als die Kolonne zur Kaserne stapfte, die auf der anderen Seite der Stadt und jenseits des Tors lag.
Die Lage der Kaserne und die unfreundlichen Blicke zufälliger Passanten machten deutlich, dass die braven Bewohner von Hispellum mit durchziehendem Militär nichts zu tun haben wollten. Nicht, dass Cato ihnen das übel nehmen konnte. Die Soldaten des Kaisers neigten dazu, sich in mancher Hinsicht als über dem Gesetz stehend zu betrachten. Diese Sicht wurde im Laufe der Jahre noch durch die Kaiser selbst gefördert, die klug genug waren zu begreifen, dass das Militär letztlich der Garant ihrer Macht und Autorität war. Gelegentliche Diebstähle, Schlägereien von Betrunkenen und das Nichtbezahlen von Waren oder Dienstleistungen wurden übersehen – vor allem, weil die Opfer dieser Vergehen nicht gern die Hilfe des Gesetzes suchten, da sie befürchteten, die Dinge dadurch nur noch schlimmer für sich zu machen. Die Menschen in den Städten, die die militärischen Hauptrouten säumten, zogen einfach nur die Köpfe ein, wenn wieder eine Kolonne auftauchte, und hofften, dass sie vorbeiziehen würde, ohne zu viel Ärger zu machen.
Die Kaserne hinter Hispellum wurde vom Stadtrat gut in Schuss gehalten, und nachdem sie die letzten zwei Nächte in Ziegenlederzelten verbracht hatten, freuten sich die Rekruten und ihre Offiziere auf die Nachtruhe im Warmen und Trockenen.
Als die Nacht hereinbrach, trafen sich die Offiziere in der kleinen Messe, wo ein Sklave ein Feuer entzündet hatte. Zudem hatte der Stadtrat den Neuankömmlingen mehrere Weinkrüge und einige Stücke gepökeltes Wildbret geschickt. Zweifellos hoffte man, dass die Soldaten sich in der Kaserne betrinken und nicht das Bedürfnis verspüren würden, sich ins Innere der Stadtmauern zu begeben. Zu den Offizieren gesellte sich ein Kaufmann, der, wie er sagte, in der Stadt kein Zimmer hatte finden können. Er setzte sich abseits und sah schweigend zu, wie die Soldaten sich unterhielten.
»Sind heute wieder Männer zurückgeblieben?«, fragte Macro hoffnungsvoll.
Minucius nickte. »Ja, einer. Ein alter Kerl. Claudius Afer. Er ist heute Morgen auf der Straße zusammengebrochen. Ich habe ihm gesagt, dass er auf sich gestellt ist, wenn er uns nicht einholt. Sieht so aus, als könnten wir den von der Liste streichen.«
»Wie viele sind es bisher?«, fragte Macro.
»Abgesehen von Afer? Lass mich nachdenken. Acht. Und wir werden noch mehr verlieren, wenn wir das Gebirge überqueren. So ist es immer. Nach Hispellum gibt es drei Tage lang keine Unterkunft mehr, und wir werden zwei Nächte weit oben verbringen. Um diese Jahreszeit wird es dort Schnee und Eis geben, und die Neuen werden es aus ganzem Herzen hassen. Wenn wir Ravenna erreichen, werden wir die meisten Schwächlinge los sein. Wer übrig bleibt, sollte das Zeug zu einem ordentlichen Marineinfanteristen haben. Prosit!«
Während Macro seinen Becher hob und einen tüchtigen Zug tat, rechnete er die Sache im Kopf durch. Acht Männer, die zurückgeblieben waren, das klang bei einer Gesamtstärke von hundertfünfzig Mann auf den ersten Blick enttäuschend. Sie würden noch über dreißig Mann verlieren müssen, damit er die Wette sicher gewann. Er blickte auf, als Minucius seinen Becher geleert hatte und nach dem Weinkrug griff.
»Wie viele Leute wirst du wohl noch verlieren, bevor wir die Berge hinter uns haben?«
»Wie viele?« Minucius blies die Wangen auf. »Normalerweise sind es zwischen einem Fünftel und einem Viertel der neuen Rekruten. Ich würde einen kleineren Anteil erwarten, wenn die Männer für die Legionen bestimmt wären. Dafür sorgt der Eignungstest. Für Marineinfanteristen ist der Standard leider etwas niedriger.«
»Ein Fünftel bis zu einem Viertel«, überlegte Macro mit einem Lächeln und fing Catos Blick auf. »Gewöhne dich besser mal an den Gedanken, dass dein erster Monat in Ravenna recht still verlaufen wird.«
»Wir sind noch nicht da«, entgegnete Cato. »Gib also nicht mein Geld aus, bevor es dir
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