Die Prophezeiung des Adlers
als er die herankommenden Offiziere bemerkte.
»Halt! Tritt vor und gib dich zu erkenn…«
»Halt den Mund. Wenn du bis jetzt noch nicht weißt, wer wir sind, wirst du es niemals kapieren. Du sollst das Lager vor Leuten bewachen, die sich ihm von außen nähern, du dämlicher Bastard, und nicht vor denen, die sich im Innern bewegen.«
»Entschuldigung, Herr.«
»Es spielt keine Rolle«, mischte Cato sich ein.
»O doch, das tut es«, knurrte Macro. »Wenn er nicht anständig Wache halten kann, ist er völlig nutzlos, sogar für die Marineinfanteristen.«
Cato beachtete ihn nicht und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Wachtposten. »Hast du eben etwas gehört?«
»Was denn, Herr?«
»Die Stimme eines Mannes, einen Schrei.«
Der Wachtposten blickte argwöhnisch drein. »Vielleicht.«
»Verarsch uns nicht, mein Junge.« Macro setzte ihm den Zeigefinger auf die Brust. »Hast du etwas gehört oder nicht?«
»Doch, Herr. Aber nur einen Augenblick lang. Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet. Ich dachte, es kommt von dort drüben.« Er zeigte auf die dunkle Masse des Bergs hinter dem Lagerplatz. »Den Berg hinauf, oder wahrscheinlicher wohl auf dessen anderer Seite, glaube ich, Herr.«
»Warum hast du keinen Alarm geschlagen?«
»Wegen etwas, das ich mir vielleicht nur eingebildet habe, Herr?«
»Man geht kein Risiko mit dem Leben anderer Menschen ein, Junge. Verstanden?«
»Jawohl, Herr. Soll ich die anderen Männer herausrufen?«
»Nein«, antwortete Macro. »Wir untersuchen die Sache. Falls wir bis zum nächsten Wachwechsel nicht zurück sind, schlägst du Alarm. Es ist wahrscheinlich nichts, weswegen du dir in die Hosen machen müsstest – nur ein Wolf oder etwas dergleichen. Und jetzt wieder auf deinen Posten!«
Der Rekrut salutierte und drehte sich mit dem Rücken zum Lager.
Macro zeigte den Hang hinauf. »Dort entlang, denke ich. Gehen wir.«
Als sie außer Hörweite des Wachtpostens waren, stieß Cato Macro in die Seite. »Ein Wolf?«
»Schon möglich. Die können manchmal so klingen.«
Sie kamen zum Fuß des Bergs und stapften durch eine Schneewehe, bis sie zum Saum des dichten Waldes kamen, der sich den Hang hinaufzog. Nur wenig Schnee war zwischen den schwer beladenen unteren Zweigen hindurchgefallen, und die Luft duftete kräftig nach Kiefern. Der Hang war steil, und sie mussten auf allen vieren hinaufkrabbeln. Sie schlängelten sich zwischen den Baumstämmen hindurch, und ihre Stiefel machten auf den Generationen von toten Kiefernnadeln kaum ein Geräusch. Vor dem Wind geschützt und von der Anstrengung erhitzt, kamen sie keuchend und schwitzend auf der anderen Seite des Waldes heraus. Im Leuchten des Schnees sahen sie über sich eine Felswand und dahinter den Bergkamm. Cato blickte zurück und entdeckte das Lager ein gutes Stück weiter unten, kaum zu erkennen, da Zelte und Wagen unter einer dicken Schneedecke lagen. Der Schrei ertönte erneut, diesmal viel deutlicher, und die beiden Centurionen blickten einander an.
»Was hältst du davon?«, fragte Cato.
»Hört sich an, als würde jemand irgendeinem armen Schwein hart zusetzen.« Macro holte tief Luft und kletterte zu den Felsen hinauf. Cato folgte ihm und trat dabei in die tiefen Fußstapfen, die Macro im Schnee hinterließ. Die Felsen waren sehr zerklüftet, und es gab genug Halt für Hände und Füße, um das Klettern zu erleichtern. Kurz darauf reichte Macro Cato die Hand und zerrte ihn auf eine flache Felsplatte, von der man in die Schlucht hinuntersehen konnte, die die Kolonne am Nachmittag hinaufmarschiert war. Unter ihnen wand die Straße sich um die Flanke des Bergs.
Beide erblickten das Feuer sofort, ein kleines, schimmerndes gelbes Licht am Rand der Straße, keine hundert Schritte weiter unten. In der Nähe waren vier Pferde angebunden, und drei Männer saßen auf einem umgestürzten Baumstamm beim Feuer. Ein Vierter beugte sich über das Ende des Baumstamms, und ein schmerzerfüllter Schrei hallte den Hang herauf. Der Mann trat zum Feuer zurück und gab den Blick auf eine fünfte Person frei, die bis zur Hüfte nackt am Baumstamm festgebunden war. Im matten Schein des Feuers erkannten Macro und Cato schwarze Streifen quer über seiner Brust. Wo diese herkamen, wurde rasch ersichtlich, als der Mann, der über ihm gestanden hatte, zum kleinen Feuer trat und die Schwertspitze in die Glut hielt.
Cato wandte sich seinem Freund zu. »Ich habe diesen Mann schon einmal gesehen. Den Gefesselten, meine ich. Er ist der
Weitere Kostenlose Bücher