Die Prophezeiung des Adlers
Kaufmann.«
»Der Kaufmann?«
»Der Kaufmann aus Hispellum … Was ist da wohl los, was meinst du? Wer sind diese Leute?«
»Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich Räuber. Aber ich werde nicht hier hocken und sie damit weitermachen lassen.« Macro blickte sich im Gelände um und dachte einen Augenblick lang nach. »Es würde zu lange dauern, umzukehren und die anderen zu wecken. Bis wir mit ihnen wieder hier oben wären, wäre dieses arme Schwein hier schon erledigt. Außerdem könnten wir die Räuber mit diesem Haufen Marineinfanteristen im Schlepptau auf keinen Fall überraschen. Sie würden ihn töten, auf ihre Pferde springen und wären längst weg, bis wir es den Hügel hinuntergeschafft hätten.«
»Verstehe.« Cato nickte langsam. »Damit sagst du also, dass es an uns ist.«
»Gut kapiert, Junge.« Macro schlug ihm auf die Schulter. »Los, komm.«
Sie schlichen sich von der Felsplatte herunter und folgten dann den Spalten im Gelände, bis sie zu einem dichten Wald kamen, der sich zur Straße hinunter erstreckte. In diesem Augenblick schrie der Gefangene erneut auf.
»Bitte! Bitte, nicht mehr!« Das Geschrei hallte klar und deutlich zu den beiden Centurionen herauf. »Ich schwöre es, ich weiß nichts! … Bitte! Nein!«
Ein gequälter Schrei durchdrang die Nacht und trieb Macro und Cato an. Sie huschten in den Schatten der Bäume und krabbelten und rutschten unter dem schneebeladenen Gezweig den Hang hinunter. Beim Abstieg behielten sie das Feuer im Auge, das zwischen dem Gewirr schlanker Kiefernzweige hindurchfunkelte. Schließlich blieb Macro stehen und bedeutete Cato mit warnend ausgestrecktem Arm, dass sie nahe genug waren. Durch die Bäume waren die vier Männer und ihr Gefangener kaum fünfzig Schritte entfernt im flackernden Feuerschein deutlich zu erkennen.
Macro zog sein Schwert und trat einen Schritt vor.
»Warte!«, zischte Cato. »Du wirst doch nicht einfach so losstürmen.«
»Was sonst?«, flüsterte Macro. »Wir beide werden sie wohl kaum umzingeln können.«
»Nein«, brummte Cato. »Wir hätten Hilfe holen sollen.«
»Dafür ist es jetzt zu spät.«
»Na gut. Wir greifen an. Aber dann lass uns versuchen, unsere Chancen zu verbessern. Schau mal da.« Cato zeigte auf eine Vertiefung neben der Straße, und Macro begriff, dass es sich um den schneebedeckten Straßengraben handelte. Er führte dicht an dem umgestürzten Baumstamm vorbei, und die Männer, die dort saßen, hatten der Straße den Rücken zugekehrt.
Macro steckte sein Schwert in die Scheide und nickte. »Das sieht doch ganz gut aus.«
Sie schlichen sich zwischen den Bäumen hindurch nach unten, und als sie zu der waldfreien Fläche neben der Straße kamen, duckten beide Männer sich, huschten vorsichtig über den Schnee zum Graben und legten sich bäuchlings hinein. Macro voran, krochen sie vorsichtig los und unterdrückten den Impuls zur Eile, als erneut Schreie die Luft durchschnitten. Sie robbten am Waldsaum vorbei und erreichten die Höhe des orangefarbenen Feuerscheins.
»Bleib unten«, flüsterte Macro über die Schulter zurück. Er zog sein Schwert aus der Scheide, holte tief Luft und hob langsam den Kopf. Über den Rand des Grabens hinweg erkannte er die Silhouetten der drei Männer, die auf dem Baumstamm saßen. Sie schwiegen und beobachteten einfach nur den vierten Mann, wie er sich über den Gefangenen beugte, der vom Graben aus nicht zu sehen war. Macro stieß einen lautlosen Fluch aus. Der vierte Mann stand ihnen zugewandt. Er würde sie sehen, sobald sie aus dem Graben sprangen.
Macro nahm den Kopf ein Stück herunter und beobachtete ratlos die Szene, bis er leicht am Fuß gezogen wurde. Er blickte sich um und sah, dass Cato fragend die Hand öffnete. Macro schüttelte den Kopf und schob sich dann so weit zurück, dass er Cato etwas zuflüstern konnte, ohne gehört zu werden.
»Wir müssen warten. Richte dich nach mir. Auf mein Signal stehen wir so leise wie möglich auf und schleichen uns vor. Du schlägst zu, wenn ich zuschlage. Vorher nicht.«
»In Ordnung«, hauchte Cato.
Sie lagen mit den Schwertern in der Hand im Schnee und warteten auf ihre Chance. Cato spürte, wie der Schnee unter ihm schmolz, seine Tunika durchweichte und eiskalt zur nackten Haut vordrang. Er begann wieder zu zittern, obgleich sein Herz vor Angst und Erregung heftig hämmerte. Vor ihm lag Macro reglos wie ein Fels da; nur seine Augen folgten dem Geschehen beim Baumstamm. Der Folterer setzte seine entsetzliche Arbeit fort, und
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