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Die Prophezeiung des Adlers

Die Prophezeiung des Adlers

Titel: Die Prophezeiung des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Scarrow
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hatten.
    Präfekt Vitellius senkte die Wachstafel und starrte auf seinen Schreibtisch. Der benommene Ausdruck im grobschlächtigen Gesicht des Aristokraten ließ seine Verzweiflung erkennen. Cato empfand fast Mitleid mit ihm, doch dann dachte er wieder daran, dass der Präfekt den katastrophalen Verlauf der Begegnung mit den Piraten ausschließlich selbst zu verantworten hatte. Die leichteren Schiffe der Flotte hätten nie so schwer mit Männern und Ausrüstung beladen werden dürfen. Vieles davon lag jetzt auf dem Meeresgrund. Wenn sie Frachtschiffe verwendet hätten, um die Ausrüstung und die Vorräte zu transportieren, die sie für den Feldzug gegen die Piraten brauchten, und einen Geleitzug gebildet hätten, hätte sich der Feind leicht abwehren lassen. Mit Frachtschiffen hätte die Überquerung länger gedauert, das schon, aber wenn man bedachte, wie die Dinge sich entwickelt hatten, wäre das ein geringer Preis gewesen.
    Während Cato sinnlos darüber nachgrübelte, was man hätte anders machen sollen, begriff er, dass Vitellius nicht die ganze Schuld trug. Der perfekte Zeitpunkt des Angriffs der Piraten war mehr als ein Zufall. Selbst wenn die Flotte bei ihrem Aufbruch aus Ravenna von einem Piratenschiff gesichtet worden wäre, hätte dieses nicht genug Zeit gehabt, Telemachos rechtzeitig zu benachrichtigen, sodass er seine gesamte Flotte losschicken und die Römer genau dann abfangen konnte, als sie am verwundbarsten waren. Telemachos musste gewarnt worden sein.
    Vitellius seufzte und stand auf. »Es sind keine guten Nachrichten, wie euch sicherlich schon bewusst war. Wir haben acht Biremen verloren, zwei weitere sind schwer beschädigt, ebenso eine der Triremen. Sie hat ein Leck abbekommen und muss in einer Werft repariert werden. Außerdem haben wir den größten Teil unserer Artillerie und Belagerungswaffen verloren. Der Hauptteil der Nahrungsvorräte wurde an Bord der Triremen transportiert, wir werden also nicht verhungern.« Er lächelte schwach, doch keiner seiner Offiziere reagierte darauf. Das Lächeln erstarb Vitellius auf den Lippen, als er mit der schmerzlichsten Nachricht fortfuhr, die er sich bis zum Schluss aufgehoben hatte.
    »Annähernd achthundert Mann sind mit ihren Schiffen untergegangen, weitere sechzig wurden an Bord jener Schiffe getötet, die sich retten konnten, und dreiundachtzig Mann sind verwundet … «
    CatoblicktesichunterdenanderenOffizierenumundbemerkteihrenüberwiegendfeindseligenGesichtsausdruck.DerPreisanMenschenlebenwarinderTatschrecklichgewesen,undvielederhierVersammeltenhattenKameradenverloren,diesieseitJahrenkannten.AberderPreisfürVitelliusselbstwarsogarnochhöher,riefCatosichinErinnerung.DieshierwareinebittereNiederlage,underwürdesieindemBericht,denernachRomzurückschickenmusste,nichtverschleiernkönnen.AberderBerichtmussteaufdenWeggebrachtunddanngelesen,dieAntworterwogenundeinBotezumPräfektenzurückgeschicktwerden,unddaswürdeVitelliuseinenvollenMonatZeitverschaffen,umdieSituationzuretten.
    »Es ist ein verdammtes Desaster«, knurrte jemand.
    »Wer hat das gesagt?«
    Keiner rührte sich. Keiner antwortete. Für einen Augenblick war alles still, doch dann stand Minucius auf.
    »Ich war es, Herr. Ich habe nur gesagt, was alle Männer hier denken. Die Piraten haben uns ordentlich eins verpasst, und es geht die Rede, dass wir verraten worden sind.«
    »Verraten?« Vitellius zog eine Augenbraue hoch. Wenn die Männer einen Verräter suchten, konnte er das vielleicht zu seinem Vorteil ausnutzen.
    »Jemand hat uns verraten und verkauft, Herr. Hat ihnen gesagt, wo sie uns finden.«
    Überall erhoben sich nun leise, wütend murmelnde Stimmen, und Minucius fühlte sich zum Fortfahren ermutigt: »Wir sollten den Drecksack suchen. Ihn dafür bezahlen lassen, und zwar hübsch langsam.«
    Die Offiziere nickten, und einige von ihnen schlugen fürchterliche Dinge vor, die man mit dem Verräter anstellen würde, wenn man ihn erst einmal gefunden hätte. Vitellius trat näher zum Feuer, sodass alle ihn in dessen Schein deutlich erkennen konnten. Er bat mit erhobenen Händen um Ruhe.
    »Einverstanden. Ihr habt mein Wort. Wenn wir den Mann finden, könnt ihr nach Lust und Laune mit ihm verfahren, allerdings unter einer Bedingung.«
    Die meisten Offiziere blickten ihn misstrauisch an; dann räusperte sich Minucius. »Welche denn, Herr?«
    »Ihr gebt mir euer Wort, dass sein Tod so schmerzhaft wie möglich sein wird.«
    Die Offiziere lachten erleichtert, und Minucius nickte feierlich.

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