Die Prophezeiung des Adlers
Dann erstarb der Lärm, und es entstand ein verlegenes Schweigen, während die Männer darauf warteten, dass Vitellius seine Ansprache fortsetzte.
Macro hüstelte. »Und wie geht es jetzt weiter, Herr?«
»Wir bleiben bei unserem Plan«, antwortete Vitellius energisch. »Wir haben immer noch genug Schiffe, um es mit den Piraten aufzunehmen.«
»Nein, Herr.« Die Köpfe drehten sich zu einem Trierarchen hinten im Zelt um. Albinus stand auf, damit man ihn gut sehen und hören konnte. »Wir brauchen mehr Schiffe. Mehr Biremen.«
»Und warum?«, gab Vitellius kühl zurück. »Nach allem, was ich gesehen habe, sind diese Schiffe schlimmer als nutzlos.«
Albinus schüttelte den Kopf. »Das ist nicht gerecht, Herr. Die Männer auf diesen Schiffen haben heute so gut gekämpft, wie es nur möglich war. Es ist nicht ihre Schuld, dass ihre Galeeren den Piraten nicht ebenbürtig waren. Wenn wir nicht den Kurs geändert hätten und ihnen zu Hilfe geeilt wären, bezweifle ich, dass auch nur eine der Biremen den Angriff überstanden hätte.«
Cato holte scharf Luft und blickte sich nach den anderen Offizieren um. Albinus’ Kritik am Kommandanten hätte kaum unverhohlener sein können, und die Centurionen und Trierarchen beobachteten gespannt, wie Vitellius reagieren würde.
Einen Augenblick lang starrte er Albinus einfach nur wütend an, dann nickte er schließlich und erwiderte: »Ein gut vorgebrachtes Argument, Albinus, aber, wie die Dinge stehen, recht theoretisch. Ich würde immer noch gerne wissen, warum wir weitere Biremen brauchen. Unsere Hauptstreitkraft, die Triremen, sind mehr oder weniger unversehrt. Wenn wir sie gegen die Piraten werfen, wird alles recht schnell vorüber sein.«
»Ja, Herr. Vorausgesetzt, die Piraten sind bereit, sich so lange nicht vom Fleck zu rühren, bis die Triremen bei ihnen sind … «
»Und?« Die Ungeduld in der Stimme des Präfekten war unüberhörbar. »Was willst du damit sagen?«
»Du hast doch in den Legionen gedient, Herr.«
»Ja und?«
»Dann kennst du die Taktik doch. Die leichteren Einheiten sind dazu da, den Feind zu finden und festzunageln, sodass die Hauptstreitkräfte herankommen und ihn vernichten können. So funktioniert es zumindest auf See. Beim Heer macht ihr ja vermutlich dasselbe.«
»Natürlich, verdammt noch mal!«, fuhr Macro ihn an. »Wir sind doch keine Dummköpfe. Die Kerle in der Legion schaffen es wenigstens, ein verdammtes Lager zu errichten!« Macro umfasste mit einer Armbewegung den dunklen Umriss des Walls, der sie umschloss. »Nicht so einen Witz von einer Befestigung … «
»Danke, Centurio«, unterbrach ihn Vitellius. »Das genügt.«
Macros Mund stand noch offen, bereit, den Rest seiner Tirade loszulassen, doch dann presste er ihn zusammen und nickte.
»Nun gut«, fuhr Vitellius fort. »Wir brauchen also Biremen.«
»Nein, Herr. Wir brauchen mehr Biremen. Wir müssen ihnen zahlenmäßig mindestens ebenbürtig sein. Ich habe ein Dutzend von diesen kleinen Widerlingen gezählt, und alle von ihnen waren gut geführt. Sie haben gute Besatzungen und gute Trierarchen. Offen gestanden sind sie besser als wir, Herr. Deswegen brauchen wir mehr Schiffe. Wir brauchen irgendeinen Vorteil, wenn wir beim nächsten Kampf eine Chance gegen sie haben sollen«, schloss Albinus energisch.
»Nun, es gibt keine zusätzlichen Biremen«, fuhr Vitellius ihn an. »Ich kann sie ja nicht einfach herbeizaubern, oder?«
»Da sind die sechs, die du in Ravenna zurückgelassen hast«, erwiderte Albinus schlicht.
Cato stand auf, räusperte sich und fügte hinzu: »Und da sind weitere tausend Marineinfanteristen, die wir gut gebrauchen könnten, Herr.«
»Nein!« Vitellius schlug sich mit der Hand auf den Oberschenkel. »Ich lasse Ravenna nicht schutzlos zurück. Rom würde mich köpfen lassen, wenn irgendetwas passiert.«
»Das wird Rom vielleicht ohnehin tun«, erwiderte Cato ruhig, »wenn man dort erst einmal erfährt, was heute geschehen ist. Wenn wir die Operation gegen die Piraten fortsetzen wollen, brauchen wir jedes Schiff und jeden Mann, den wir einsetzen können.«
Vitellius trat auf ihn zu. »Und wenn die Piraten Ravenna angreifen?«
»Wir haben unsere Befehle, Herr.« Cato legte die Betonung auf das erste Wort. »Die Operation hat Vorrang.«
»Und Ravenna«, gab der Präfekt leise zurück.
»Ravenna wird das Risiko tragen müssen, Herr.«
»Verstehe. Ist das dein Rat? Bist du bereit, das schriftlich festzuhalten?«
Cato biss die Zähne zusammen, damit
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