Die Prophezeiung von Tandoran - Verwundete Welt - Yoga/Fantasy-Roman: 1 (German Edition)
wie er mit offenem Mund auf die Gedankenwand starrte.
Callum nahm den Helm wieder ab und legte ihn sorgfältig auf eine dafür vorgesehene Kiste. „Wir haben mehrere Räume mit diesen Projektionswänden. Sie standen bereits in diesen Klassen, als die Menschen auf Sapienta ankamen.“
Jason setzte sich auf einen Tisch. „Sind diese monströsen Tiere nicht bedrohlich für den Menschen? Ich mein, die sehen ja aus, als wären sie der Urzeit entsprungen.“
„Das ist normalerweise kein Problem. Erinnere dich an die Schluchten. Die Ingadi haben schon vor unserem Eintreffen alle gefährlichen Tiere auf solche Landinseln getrieben. Keyron ist so eine Insel. Rundherum wird sie von einem tiefen Erdspalt vom übrigen Land getrennt. Nur dünne Brücken aus Seilen und Rohren ermöglichen den Menschen einen Übergang, wenn es denn nötig ist. Kein Tier würde sich auf eine dieser wackeligen Überquerungen wagen.“
„Wie du es schilderst, scheinen es die Ingadi gut mit euch gemeint zu haben.“
„Oh ja, das kann man wohl sagen. Aber die Menschen mussten ihnen auch schwören, dass sie die Tiere auf deren Territorien in Ruhe lassen. Die Ingadi fühlen sich allen Geschöpfen gleichermaßen verpflichtet.“
Callums Stimme wurde sanfter. „Auch in den Tieren pulsiert Limar, diese Energie verbindet alles Leben auf Tandoran. Bis über den Tod hinaus, wie viele von uns hoffen.“ Schweigend blickte er durch das Fenster auf eine turmförmige, goldene Wolkenformation am azurblauen Himmel.
Jason war noch völlig ergriffen von den Bildern, die Callum ihm gezeigt hatte: „Tandoran scheint mir ein fast paradiesischer Planet zu sein, das Limar, die lange Lebenszeit, das Zusammenleben mit der Natur. Ihr müsst euch wie Götter vorkommen mit diesen Möglichkeiten ...“
Callum winkte ab. „Jeder Limart wird zum Gemeinwohl verpflichtet. Er darf keine persönlichen Vorteile aus seinen Fähigkeiten ziehen, wenn sich für andere Lebewesen daraus ein Nachteil ergeben würde. Das muss er vor Ausbildungsbeginn schwören, so haben es die Ingadi vorgeschrieben. Und von ihnen haben wir all diese Techniken.“ Er setzte sich auf einen Sockel. „Wenn man denn überhaupt von Cargolita zugelassen wird. Und außerdem sind die Kräfte aller Limarten mehr oder weniger begrenzt. Wir zapfen nämlich das Limar aus unserem eigenen Inneren ab und müssen, wie du ja schon weißt, nach kurzer Anwendung erst einmal mehrere Stunden Erholung einschieben. Sonst brechen wir irgendwann ohnmächtig zusammen.“
„Warum braucht man so lange zum ...“ Jason suchte nach dem passenden Wort „... aufladen?“ Er war enttäuscht.
„Nun ja, in der Ausbildung lernen wir Techniken, schneller Limar zurückzugewinnen. Die Ratsmeister verfügen darüber hinaus über eine geheime Prozedur, Energie von anderen Menschen abzuzapfen und können so stundenlang im Einsatz sein. Allerdings auf Kosten dieser Energiespender. Darum darf der Lichtrat dieses Vorgehen keinem verraten. Du könntest jemanden töten, wenn du alles Limar aus ihm absaugst. Schau mal.“ Callum zog sein Hemd von der rechten Schulter. „Wir bekommen eine Tätowierung von Cargolita, wenn wir die Prüfung bestehen. Jedem schenkt sie etwas anderes.“ Callum hatte eine verschlungene Pflanze auf seinem Oberarm, die sich in der Bewegung wie ein 3-D-Bild veränderte.
Die Tür zum Klassenraum schwang auf. „Hier seid ihr. Ich habe euch schon überall gesucht.“ Nickala trat zwischen die beiden. Jason starrte auf ihre Füße. Das war das dritte Paar Schuhe, was er heute an ihr bemerkte.
Callum stieg von dem steinernen Lehrsockel hinab und griente über das ganze Gesicht. „Hallo Nick. Schön dich zu sehen. Du kannst uns begleiten. Ich wollte unserem Gast noch etwas zeigen.“ Callum schritt in Richtung Ausgang. „Leider nagt ein Unheil an meiner Heimat, Jason. Du hast es ja schon von dem Bauern auf dem Weg hierher zu Ohren bekommen. Komm, dann wirst du es sehen.“ Im Vorbeigehen flüsterte er Jason zu: „Sie hat einen Schuhtick. Manchmal wechselt sie die Treter fünfmal am Tag.“
„Das hab ich gehört, Callum.“ Nickala blies ihm einen kleinen Sturm entgegen, der seine rotbraunen Locken verwirbelte. Jason staunte, dass sie das ganz geschmeidig aus dem Handgelenk bewirkte. Callum schien es zu genießen.
Gemeinsam verließen sie das Hauptgebäude und wanderten durch die Straßen von Sapienta. Jason konnte sich kaum sattsehen an den originellen Entwürfen der Häuser und den exotischen
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