Die Prophezeiung von Tandoran - Verwundete Welt - Yoga/Fantasy-Roman: 1 (German Edition)
zum Meister. Seine Mutter hatte ihm die Sutren des Patanjali einmal zu lesen gegeben.
Allando lächelte. „Richtig. Und genau das hat Cargolita bei dir geprüft. Du findest diese Begriffe in der alten Sprache auf dem Sockel der Blume. Du solltest wissen: Patanjali war lange Jahre Leiter der Schule von Sapienta und hat sich im hohen Alter zur Aufgabe gemacht, die Philosophie unserer Limartenausbildung auf der Erde zu lehren. Er musste dort allerdings auf die dortigen Bedingungen eingehen, von daher ist vieles etwas anders formuliert. Doch die grundlegenden Werte stimmen überein.“
Jason grub in seiner Erinnerung. „Ich erinnere mich, dass er auch immer von besonderen Kräften geschrieben hat. Aber Patanjali hat gesagt, dass die Anwendung dieser Siddhis ein Hindernis auf dem Weg des Yogas sei.“
„Richtig. Er stand unter dem Einfluss dessen, was die Menschen mit den Ingadi gemacht haben. Auch heute noch gibt es auf Tandoran eine strenge Rechtsprechung gegenüber Limarten, die ihre Kräfte zum Schaden anderer einsetzen.“
Meister Allando holte Nüsse aus seiner Tasche und stopfte sie sich in den Mund. „Weißt du Jason, die Einhaltung dieser Verhaltensregeln hat noch einen anderen, im Wesen des Menschen begründeten Sinn. Um die Lebensenergie, das Limar, zu verstehen, zu empfinden oder zu lenken benötigen wir einen ruhigen, völlig fokussierten Geist. Strebt ein Limart nach diesen zehn Vorsätzen, stärkt er damit auch seine Geisteskräfte.“
Die Kette mit dem Pentagramm um Allandos Hals baumelte vor seinem Bauch, als er sich mit verschwörerischer Stimme zu Jason vorbeugte: „Wir Limarten betrachten das Leben als Wachstums- und Erkenntnischance. Der Tod ist uns womöglich nur ein Zwischenstadium. Die obigen zehn Regeln führen zu positivem Streben, innerem Frieden, seelischer Weiterentwicklung. Und … möglicherweise zu Freiheit und Unsterblichkeit. Manche von uns glauben daran.“
„Sehnen Sie sich nach Unsterblichkeit? Ich meine, das würde doch langweilig werden, oder?“
Allando lehnte sich zurück, zog seinen Ring ab und ließ ihn durch seine Finger tänzeln. „Da magst du recht haben. Mein Ziel ist das friedliche Zusammenleben auf Tandoran. Ich will bei meinem Tod eine sichere Welt hinterlassen, auf der unsere Kinder behütet aufwachsen können. Das ist, wenn du so willst, meine letzte Herausforderung.“ Abrupt sah er auf. „Hast du bis hierher Fragen?“
„Was verbirgt sich hinter den drei Türen dort?“, kam es von Jason wie aus der Pistole geschossen.
Verwundert blickte Allando in Richtung von Jasons Fingerzeig. Dann schaute er in dessen grinsendes Gesicht.
„Mein Schlafzimmer, Übungsraum und Bad. Schön, du scheinst mit den Werten unserer Schule keinerlei Probleme zu haben. Aber das haben wir ja schon bei der Prüfung durch die Blume bestätigt bekommen.“
Er erhob sich und ging zum großen Tisch hinüber. Dort stand eine Karaffe mit Wasser. Allando füllte zwei Gläser, reichte eines zu Jason und setzte sich wieder. In einem Zug lehrte Jason sein Glas.
„Dann kommen wir schon zu den Wirkgrundlagen des Limars auf Tandoran. Jason, stell dir die Anwendung von Limar ein bisschen so vor, als ob du aus einem Raum voller Möglichkeiten die von dir gewünschte Option auswählst. Dabei greifst du in den natürlichen Lauf der Dinge ein. In das, was sich von selbst ergeben würde.“ Fragend schaute er zu Jason, dieser nickte.
„Wenn du etwas erreichen willst, das nahe beim natürlichen Lauf der Dinge liegt, brauchst du nur wenig Energie und damit Kraftanstrengung. Den Flug einer Feder beeinflussen, die Heilung einer kleinen Wunde fördern oder ein Feuer mit trockenem Holz zu entfachen. Je stärker du gegen den ursprünglichen Ablauf abweichen willst, desto schwieriger wird es für dich, umso mehr Limar benötigst du. Schau, dieser Aufbau ergibt eine sehr einfache Anwendung des Limars.“
Allando kramte eine Glaskuppel aus einer Holztruhe hervor. Im Inneren der Kuppel stand eine senkrechte Nadel in einem Fuß aus Kork. Er hob den Glasdeckel ab und balancierte ein zu einem Dach gefaltetes Stück Papier auf der Spitze der Nadel aus. Vorsichtig setzte er die Glaskuppel wieder auf. Das geknickte Papier pendelte einige Male im Kreis auf der Nadelspitze und kam leicht schräg zur Ruhe. Die lauwarme Sommerluft konnte das Experiment nun nicht mehr beeinflussen.
„Und jetzt, Jason, konzentriere dich ganz auf das Papierdach. Stell dir im Geiste vor, wie es sich auf der Spitze der Nadel
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