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Die Prophezeiung

Die Prophezeiung

Titel: Die Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Nebl
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dennoch heiße Tränen unter den Lidern hervor traten. Sie gab Niall den Brief und legte den Kopf in seinen Schoß. Ihre Schultern zuckten und sie vermochte es nicht, sofort in die neu erhaltenen Seiten ihres Buches zu sehen. Niall überflog die kurzen Zeilen. Dann legte er nachdenklich den Brief zur Seite und strich seiner Ziehschwester sanft über den Kopf. Nach einer Weile des Schweigens zog er vorsichtig die Seiten aus ihrer Hand und verbarg alles lautlos in dem geheimen Fach, im welchem auch das Buch verborgen lag. Er schob das Mädchen, welches noch immer leise vor sich hin weinte, zur Seite, legte sich neben sie und zog die Decke über sie beide. Zaramé kuschelte sich schutzsuchend an ihn und während Niall selbst langsam in den Schlaf hinüberglitt, spürte er, wie sie sich entspannte. Bald darauf hörte er den gleichmäßigen Atem der Schlafenden.
     
    Bereits in der Dämmerung erwachte Zaramé wieder und erkannte erstaunt, wie ruhig sie an Nialls wärmender Seite geschlafen hatte. Behutsam befreite sie sich von der Decke und tappte über den in der Nacht erkalteten Boden hinaus in die Stube. Leise schürte sie das Feuer und prüfte, ob der Wasserkessel darüber bereits gefüllt war. Dies hatte Balin wohl gestern Abend noch erledigt. Gedankenvoll ging sie zurück in die Schlafkammer, wo Niall bereits hellwach auf dem Bett saß. Sie lächelte ihm unsicher zu, sie fühlte sich noch geschwächt und verwirrt von den gestrigen Geschehnissen. Warum nur wurde sie immer gleich bewusstlos? Niall sprach ihre Gedanken aus: „Komm, setz‘ dich zu mir! Geht es dir wieder besser? Das ist eine unglückliche Angewohnheit von dir immer im falschen Moment einzuschlafen!“, neckte er sie. Die Sorgenfalte auf seiner Stirn, die Zaramé bis jetzt noch nie aufgefallen war, zeigte jedoch, dass er das Ganze nicht wirklich amüsant fand.
    „Im Ernst, Za ramé, gibt es irgendetwas, das dir helfen könnte bei Bewusstsein zu bleiben? Vielleicht kommt irgendwann einmal eine Situation, in der niemand da ist, dich zu retten und wegzubringen! Hast du darüber schon irgendwo etwas gelesen?“
    Zaramé schüttelte verzweifelt den Kopf: „ Nein, habe ich nicht! Du hast ja Recht, Niall, aber ich kann dagegen überhaupt nichts machen. Ich sehe, was passiert und gleichzeitig habe ich einen Ausblick auf die nicht mehr ferne und so schreckliche Zukunft. Ich habe wahrscheinlich so viel Angst, dass ich mich nicht unter Kontrolle habe!“ Niall sah sie nachdenklich an. Sie schwiegen einige Zeit, dann sagte er leise: „Dein Körper schützt dich vermutlich vor deiner Angst! Das ist wirklich seltsam. Manche Menschen werden durch Angst gelähmt, andere hellwach und reaktionsschnell. Dass manche zartbesaiteten hohen Damen in Ohnmacht fallen, wenn sie etwas Furchtbares wie eine Maus sehen, habe ich auch schon gehört. Aber für einige Stunden vollkommen besinnungslos, das habe ich noch nirgendwo gehört. Du hast doch jede Menge mächtiger und seltsamer Freunde, frage die Elfen oder Tiram, sie wissen vielleicht Rat.“
    Ganz sicher war sic h Niall aber seiner Sache nicht. Denn wenn Tiram eine Ahnung davon hätte, hätte sie gestern doch helfen können, oder? Als er Zaramés starres Gesicht sah, wollte er sie einfach nur noch ablenken. Er legte den Arm um sie und strich ihr mit dem Zeigefinger sanft über die bleiche Wange.
    „Denk ‘ jetzt einfach nicht mehr daran! Wir wissen doch beide, was wir jetzt gerne tun wollen, oder?“ Er nickte mit dem Kopf in die Richtung der versteckten Seiten. Aber auf Zaramés Gesicht zeigte sich immer noch keine Freude oder Neugier. „Zaramé? Was ist denn?“
    Zaramé schloss für einen Moment die Augen. Dann machte sie sie rasch wieder auf und schüttelte wie benommen ihren Kopf. Dann blickte sie ihrem Ziehbruder direkt in die strahlendblauen Augen. Niall hielt die Luft an, denn die sonst goldbraunen oder manchmal rotglühenden Augen Zaramés schienen farblos zu sein. Ein unheimlicher Anblick!
    „Weißt d u, Niall, es gibt wirklich etwas Schöneres, als jedes Mal, wenn man die Augen schließt, kämpfende und sterbende Menschen zu sehen. Ich wünschte, von Herzen, dass diese Gabe an mir vorübergegangen wäre!“
    Niall drückte ihr tröstend die Hand. Aber Zaramé war noch nicht fertig. „Was tust du eigentlich bis jetzt bei unserer Suche, hm? Du könntest doch leicht auch mal etwas übernehmen, oder?“, sagte sie mit einem spürbar scharfen Tonfall. Niall schauderte. Sie hatte Recht: Um nichts in der Welt

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