Die Prophezeiung
wirklichen Kampf passieren ständig unerwartete Dinge, die einen das Leben kosten können! Und nun zeigt Eure Verletzung her!“
Saris schluckte wegen des Tadels. Ausgerechnet Heerführer Iannis musste sie entdecken. Dabei hatte er nach einem besonders abgelegenen Fleck außerhalb der Burgmauern gesucht, wo keine Karrenwege vorbeiführen und der von oben wegen einer Senke nicht einsehbar war. Iannis war längere Zeit unterwegs gewesen, wahrscheinlich hatte er nach seiner Rückkehr die Gegend um die Stadt überprüft! Hoffentlich war Ziandra so einsichtig, zu gehorchen, aber Saris bezweifelte es insgeheim. Er würde einen Haufen Ärger bekommen!
„Ziandra, bitte entschuldigt meine Ungeschicklichkeit. Aber tut, was der Heerführer verlangt!“, bat er leise. Ziandra erkannte den flehenden Unterton und lehnte sich zurück gegen einen Baumstamm. Schweigend sah sie zu, wie der Vorgesetzte Saris´ den Schutz abwickelte und sich ihren bloßen Arm ansah.
„Ihr habt Glück, es ist mehr ein Bluterguss mit einem Riss, als ein Schnitt. Ich wickle eine Schicht darüber und dann bringe ich Euch zur Heilerin.“
„Nein, das ist nicht nötig. Meine Mutter kann das genauso gut!“, widersprach Ziandra rasch, ohne dabei zu erwähnen, dass es sich bei ihrer Mutter um die Heilerin handelte.
„Das ist mir gleich, Mädchen. Ich bringe Euch nach Hause! Und Ihr, Saris, macht, dass Ihr in die Burg zurückkommt. Wir sprechen uns später!“, brummte Iannis. Ziandra stand mühsam auf. Auf keinen Fall durfte sie so nach Hause kommen. Rianna wäre fassungslos!
„Das ist sehr freundlich, He erführer, aber ich schaffe das alleine. Vielen Dank für das Angebot!“, versuchte sie sich flink aus der Reichweite des Mannes zu entfernen. Aber Iannis war schneller. Er nahm sie am unverletzten Arm und führte sie Richtung Westtor. Ziandra ging mit gesenktem Kopf neben ihm her und überlegt fieberhaft, wie sie ihre Situation verbessern könnte. Sie hoffte, dass sie niemand beim Betreten der inneren Stadt erkennen würde, aber diese Hoffnung war gering. Ihr Umhang, den sie gewöhnlich über der Kampfkleidung trug, lag hinter dem nächstgelegenen Busch. Wie angewurzelt blieb sie stehen. „Bitte, einen Moment, Herr!“, sie bückte sich mühsam und zog den Umhang hervor. Sie versuchte ihn ohne den verletzten Arm überzuziehen, scheiterte aber daran, dass sie den Schwung für diesen schweren Stoff nicht aufbrachte. Hilflos und wütend darüber sah sie zu ihrem Begleiter auf und bemerkte erstmals die grün leuchtenden Augen in einem harten, kantigen Männergesicht. Wortlos sah er sie an, registrierte das schmale Gesicht mit den lieblichen Zügen und unter der hohen Stirn die goldenen Augen mit langen Wimpern. Er nahm den Umhang und legte ihn ihr vorsichtig über die Schulter. Ziandra nickte dankend. Dann setzten sie ihren Weg fort. Einige Leute wandten den Kopf, als sie das Paar vorübergehen sahen. Eine Wachablösung für das Tor schritt vorbei und Iannis war einen Augenblick abgelenkt. Diesen Moment nutzte Ziandra und verschwand in einer der Seitengassen. Bevor Iannis ihr Verschwinden richtig wahrgenommen hatte, war sie nicht mehr zu sehen. Der erfahrene Kämpfer fluchte innerlich, als er merkte, wie schnell das Mädchen ihn ausgetrickst hatte. Nun, er würde sowieso alles über sie erfahren, denn Saris würde ihm nicht weglaufen können! Schnellen Schrittes ging er zurück zur Burg von König Heras und seiner Familie. Sein König war bereits in fortgeschrittenem Alter und seine Tochter noch unvermählt. Allerdings gab es einen ernsthaften Bewerber um die Hand von Prinzessin Asmida: König Razak von Erimalia, Riannas Halbbruder!
Razak hatt e geheiratet, aber seine Gemahlin war bei der Geburt des Sohnes Nozak gestorben. Dieser Sohn war nun bereits 15 Jahre alt und eiferte dem Vater verbissen nach. Gemeinsam herrschten sie mit unnachgiebiger Strenge über Erimalia. Razak, der vom gleichen unbezähmbaren Ehrgeiz zerfressen war wie seine Mutter, wollte mehr als Erimalia: Er wollte auch Madredas mit seinen fruchtbaren Feldern und den Erzgruben, die reiche Metallvorkommen zum Schmieden neuer Waffen enthielten.
Aber König Heras legte keinen Wert auf einen grausamen Schwiegersohn, der ihn innerhalb kürzester Zeit wohl entmachten würde und seine Tochter und sein Volk unglücklich werden ließe – so unglücklich wie die armen Erimalier bereits waren! Deshalb wurde Razaks Anfrage immer wieder abgelehnt, was die Wut des Gewaltherrschers ins
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